Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)
seine
Sauna haben will, wird er niemals bekommen. Es ist unverkäuflich.«
39
Der offene Fensterflügel fiel ihr
auf, als sie das Tor aufschob. Anstatt den Wagen wie geplant im Hof abzustellen,
ließ sie ihn in der Einfahrt stehen und lief zum Hauseingang. Im Flur offenbarte
sich die ganze Bescherung. Vom Hof aus hatte der Einbrecher das Fenster zum Treppenhaus
aufgehebelt und sich drinnen an der Tür zur Teeküche zu schaffen gemacht. Der Rahmen
war mit roher Gewalt und einem grobem Werkzeug, einem Stemmeisen vielleicht, aufgebrochen
worden. Splitter und Späne des zerborstenen Türblatts verteilten sich auf dem Fliesenboden.
Um in die Teeküche zu gelangen, hatte der Eindringling über den Unterschrank klettern
müssen. Vom Vormieter war die Flurtür von innen zugebaut worden, damit man den winzigen
Raum besser ausnutzen konnte. Norma hatte die Kücheneinrichtung unverändert übernommen
und musste deswegen immer außen herumgehen.
Sie schlug
die Haustür hinter sich zu und schloss die Bürotür auf. Alle Schranktüren standen
weit offen. Ein Teil der Aktenordner lagen auf dem Boden. Das ließ sich schnell
aufräumen. Ärgerlich war, dass der Eindringling die Schlösser der beiden verschließbaren
Schranktüren aufgestemmt hatte und dabei alles andere als behutsam vorgegangen war.
Der Korpus war zerschrammt, die Türen zerbrochen. Keine Frage, hier war ein neuer
Büroschrank fällig. Der kleine Tresor, der fest im Mauerwerk verankert war, hatte
den Angriffen tapfer standgehalten. Tiefe Kratzer zeugten von dem ebenso ungeschickten
wie aussichtslosen Bestreben, an den Inhalt heranzukommen.
Nachdem
sie sich einen Überblick verschafft hatte, sank Norma auf den Drehstuhl nieder.
Was für eine Ironie! Ausgerechnet während sie sich in Medzigs Wohnung geschlichen
hatte, war bei ihr selbst eingebrochen worden. Freispruch für Medzig! Obwohl er
so wunderbar als Verdächtiger getaugt hätte. Das einzig Bedeutende, was fehlte,
hatte mit ihm persönlich zu tun: Die Batschkapp des Vaters war fort! Mitsamt der
Plastiktüte und dem goldenen Anstecker. Falls der Einbrecher es auf den Beweis abgesehen
hatte, mit dem Angela vermutlich Ewalds Mörder auf die Schliche gekommen war, stellte
sich die Frage: Warum hatte sich der Täter außerdem mit dem Versuch aufgehalten,
den Tresor zu öffnen?
Ein Pochen
an der Fensterscheibe lenkte sie ab. Die Bäckersfrau von gegenüber winkte hektisch.
Norma konnte sich nicht erinnern, sie jemals außerhalb des Ladens gesehen zu haben.
Als sie die Tür öffnete, drängte sich die Nachbarin hinein.
»Ach du
Schreck, wie sieht es hier aus!«, rief sie mit aufgerissenen Augen. »Ich habe mich
also nicht geirrt. Es war ein Einbrecher.«
»Sie haben
ihn gesehen?«
Sie nickte
eifrig. »Jemand war auf Ihrem Hof. Und ist wie die Feuerwehr auf und davon.«
»Können
Sie die Person beschreiben?«, erkundigte sich Norma hoffnungsvoll.
»Ein junger
Mann«, lautete die prompte Antwort. »So ein Kerl mit kahlem Schädel. Ihn habe ich
in letzter Zeit öfter zusammen mit diesem Mädchen gesehen. Das Pummelchen mit dem
niedlichen Kind! Die war neulich erst mit dem Kleinen bei Ihnen, Frau Tann!«
Sie strahlte
Norma an, offensichtlich in Erwartung einen dicken Lobs.
Norma bedankte
sich herzlich und hielt die Tür auf.
Die Bäckerin
rührte sich nicht von der Stelle. »Wenn die Polizei kommt, schicken Sie die Leute
ruhig zu mir rüber.«
Norma vertröstete
sie auf später. Sie müsse vorher etwas klären.
Die Bäckerin
lächelte verschwörerisch. »Richtig, Sie waren früher selbst Kriminalkommissarin.«
Endlich
bewegte sie sich ins Freie. Norma schaute in ihren Notizen nach Chrissis Adresse
und führte ein kurzes Telefonat. Bevor sie in den Wagen stieg, machte sie das Flurfenster
zu – sehr vorsichtig mit den Fingerspitzen und unter Zuhilfenahme eines Papiertaschentuchs.
Anschließend fuhr sie zu Chrissi. Das Mädchen wohnte in der Nähe der Oranier-Gedächtniskirche
unweit des Rheinufers. Von hier waren es nur wenige Schritte zu einem abgewirtschafteten
Mietshaus. Die Haustür war angelehnt. Eilig erklomm Norma die Treppen zur vierten
Etage. Chrissi jammerte gern über den fehlenden Fahrstuhl. Oben im Flur rätselte
Norma über die richtige Wohnungstür. Ringsum waren die Klingelschilder herausgebrochen
oder abgerissen. Wenn es überhaupt Namensschilder gab, hatten diese nichts mit Chrissi
oder Benni zu tun. Auf Verdacht klopfte sie an eine Tür, auf deren Fußabtreter sich
ein Sammelsurium von
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