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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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’ne Kleinigkeit ist: Es gibt uns ’n gutes Gefühl.
    Als ich gestern Horst wiedergesehen hab, wollte ich ihm eigentlich nichts davon erzählen. Aber dann sind wir auf das Lager zu
sprechen gekommen, und ich hab’s doch getan. Er war total entsetzt.
    »Seid ihr jetzt völlig übergeschnappt?«, hat er gesagt. »Deutschen ist der Kontakt zu den Ostarbeitern verboten. Und ihnen zu helfen, erst recht. Darauf steht die Todesstrafe. Die stellen euch glatt an die Wand, wenn sie euch erwischen!«
    Je länger er so geredet hat, desto mehr hab ich die Wut gekriegt. Woher nimmt
er
eigentlich das Recht,
mir
was zu sagen?, hab ich gedacht. Nach allem, was er getan hat! Irgendwann bin ich ausgerastet und hab ihn angeschrien. Die ganze Enttäuschung ist rausgekommen. »Arschloch« hab ich ihn genannt und alles Mögliche, das mir in den Sinn kam. Er hat nur dagesessen und keinen Ton mehr geantwortet. Auf einmal hat er ganz klein und hilflos ausgesehen.
    »Wir müssen schon lange damit rechnen, dass sie uns an die Wand stellen«, hab ich gesagt, als ich mich abreagiert hatte. »Das ist nichts Neues für uns. Wir haben uns nie davon abhalten lassen, und das tun wir jetzt auch nicht.
Wir
haben uns nichts vorzuwerfen, Mann.«
    Damit bin ich gegangen und hab ihn stehenlassen. Gleich letzte Nacht war ich wieder am Lager. Es ist fast wie ein Zwang gewesen. Als wenn ich Horst beweisen müsste, dass er mir nichts mehr zu sagen hat. Dass ich jetzt mein eigener Herr bin und selber weiß, was ich zu tun und zu lassen hab.
    Ich war nicht allein. Tilly, Flocke und Tom waren auch dabei. Tagsüber hatten wir ein paar Stangen Zigaretten, die Flint und Kralle irgendwo geklaut hatten, gegen was zu essen eingetauscht, und was davon übrig war, haben wir in unseren Rucksäcken gehabt. Es gibt ’ne Stelle, wo ein Gebüsch bis direkt ans Lager reicht. Da haben wir uns angeschlichen, und als wir am Zaun waren, haben wir angefangen, alles auszupacken und durch die Maschen zu schieben.
    Normalerweise sind wir längst weg, wenn die Leute sich die Sachen holen. Aber letzte Nacht war’s anders. Da sind welche gekommen, während wir noch da waren. Sie sahen halb verhungert aus, fast wie Leichen, und sind sofort über alles hergefallen. Wir konnten die Lebensmittel gar nicht so schnell durch den Zaun kriegen, wie sie sie runtergeschlungen haben. Es war richtig beängstigend, ihnen dabei zuzusehen.
    Als wir nichts mehr hatten, wollten sie sich bedanken. Eine Frau hat ihre Hand durch den Zaun geschoben und sie Flocke auf den Kopf gelegt, ’ne andere wollte bei Tilly das Gleiche tun. Aber bevor sie dazu kam, sind plötzlich Scheinwerfer angegangen, und auf einmal war der ganze Zaun in helles Licht getaucht. Dann ist es laut geworden, irgendwo wurden Befehle gebrüllt, wir konnten das Knallen von Stiefeln hören.
    Die Ostarbeiter sind in alle Richtungen weggerannt und haben versucht, in ihre Baracken zu kommen, bevor sie einer erwischt. Wir sind durch das Gebüsch abgehauen. Aber wir waren nicht schnell genug. Als wir auf der Straßenseite rausgekommen sind, standen schon welche von den Aufsehern da und haben uns den Weg versperrt. Sie haben mit ihren Maschinenpistolen auf uns gezielt und uns zum Zaun getrieben. Wir mussten uns wie Schwerverbrecher mit erhobenen Händen aufstellen, während sie unsere Rucksäcke durchwühlt haben.
    Erst da hab ich gesehen, dass Horst einer von ihnen ist, und ich glaub, er hat mich im gleichen Moment erkannt. Er ist zusammengezuckt und hat mich angestarrt, und für ’n Augenblick hat er anscheinend nicht gewusst, was er tun soll. Dann hat er sich zu den anderen Aufsehern umgedreht.
    »Na ja, Entwarnung«, hat er gesagt. »Sind nur ’n paar Rotzlöffel. Wahrscheinlich wissen sie gar nicht, dass es verboten ist, was sie tun. Würd sagen, wir verpassen ihnen ’n Denkzettel und lassen sie laufen.«
    Aber die anderen haben nicht mit sich reden lassen. »Die sind alt genug, um zu wissen, was sie tun«, hat einer von ihnen gesagt. »Und so harmlos, wie sie aussehen, sind sie bestimmt nicht. Wahrscheinlich haben sie die Lebensmittel geklaut. Laufen lassen dürfen wir sie jedenfalls nicht, Gerlach, das weißt du genau. Wenn’s nämlich rauskommt, sind wir dran.«
    Er ist auf uns zugekommen und wollte uns abführen. Da ist Horst auf einmal ein paar Schritte zurückgegangen, hat auf ihn und die anderen gezielt und sie angebrüllt, sie sollen die Waffen fallen lassen. Sie haben ihn total verblüfft angesehen und wollten’s erst

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