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Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Mochinski
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Magendrücken einsetzte, hatte er überlegt, ob er das Badezimmer in seinem und Julies Haus benutzen sollte, aber die Spülung funktionierte nicht mehr, und er wollte das Klo dort nicht so hinterlassen. Aus zweierlei Gründen. Zum einen hätte Julie es sehen können, und sie hätte sofort gewusst, was mit ihm los war. Dann hätte er keine Chance mehr bekommen, es Thompson heimzuzahlen. Und zum zweiten, selbst wenn sein Plan einwandfrei funktionierte, hätte Julie die Schüssel irgendwann sauber machen müssen.
    Es gab nicht viele Situationen, in denen Harris sich verletzlich fühlte. Der Toilettengang war schon immer eine davon gewesen. Vermutlich stammte dieses Gefühl noch aus seiner Grundschulzeit. Harris erinnerte sich, wie er im ersten oder zweiten Schuljahr in seiner Schule aufs Klo gegangen war. Er hatte Gelächter gehört, und als er hochsah, hatte er drei ältere Jungs aus der sechsten Klasse auf ihn herabgucken sehen. Sie hatten sich an den Wänden der offenen Kabinen links und rechts hochgezogen und den kleinen Jungen ausgelacht, der unter ihnen auf dem Klo saß.
    Vielleicht war das der Grund. Oder möglicherweise lag es daran, dass er auf eine katholische Grundschule gegangen war. Harris hatte gelernt, dass Gott ihn immer und überall sah. Normalerweise war das eine sehr beruhigende Vorstellung für den kleinen Harris gewesen, zum Beispiel, wenn er neben seinem Bruder James im Bett lag und Angst davor hatte, was sich in seinem Schrank versteckte, und dann daran dachte, dass Gott alles beobachtete und auf ihn aufpasste. Also konnte ihm nichts passieren. Aber sich vorzustellen, dass Gott alles sah, dass er ihn beobachtete, während er groß machte und sich den Po abwischte, das war einfach furchtbar. Das brauchte Gott wirklich nicht zu sehen.
    Seine andere Kindheitsphobie in Zusammenhang mit dem Toilettengang hatte nichts mit seiner religiösen Erziehung zu tun. Bis er dreizehn oder vierzehn war, hatte Harris grundsätzlich keine Zeitung oder Illustrierte mit ins Badezimmer genommen. Er wusste, dass die Leute auf den Bildern ihn nicht beobachten konnten, aber irgendwo in seinem Hinterkopf hatte sich der Gedanke festgesetzt, dass sie es ja möglicherweise doch konnten. Er wusste zwar, dass diese Vorstellung völlig unvernünftig war, aber es half trotzdem keinen Deut.
    In seiner Ehe hatte er immer die Tür abgeschlossen, wenn er »groß« musste. Raquel hatte Witze darüber gemacht, dass sie alles teilten, aber er die Türe nicht aufließ, wenn er scheißen musste. Sie tat das, aber da sie in der Regel die Toilette neben dem Schlafzimmer benutzte, war er dabei nicht anwesend. Was ihn betraf, waren ihm die dabei anfallenden Geräusche und Gerüche peinlich, und das wollte er ihr nicht zumuten.
    Die Tatsache, dass er wie alle anderen scheißen musste, bewies doch, dass er wie alle anderen im Grunde ein Tier war. Zu keiner Zeit hatte er sich für eine transzendente Wesenheit gehalten, doch wie die meisten Menschen, die einen Großteil des Lebens ihre Sterblichkeit großzügig übersahen, empfand Harris den Toilettengang als unerwünschte Erinnerung daran, dass er nichts Besonderes war und dementsprechend auch irgendwann sterben würde.
    All das ging ihm durch den Kopf, während er furzte und Blut in die Schüssel spritzte. Er runzelte die Stirn, und dünner, kalter Schweiß trat ihm aufs Gesicht. Er hatte schon genug Bissopfer gesehen, um zu wissen, dass der Durchfall nicht mehr lange dauern würde, und er bald aufstehen und weiter seinen Angelegenheiten nachgehen konnte. Er war sich auch bewusst, dass es der Vorbote des nahenden Endes war. Viel mehr als ein paar Stunden blieben ihm nicht.
    Harris fragte sich, ob Gott ihn jetzt auch beobachtete. Entschied, dass es nicht wert war, sich darüber lange den Kopf zu zerbrechen. Er würde es früh genug erfahren. Also dachte er an etwas anderes.
    Love Boat . Eine seiner Lieblingsserien als Kind. Es lief jeden Samstagabend um neun. Harris liebte diese Serie. Das Problem war, dass sein Bruder James ihm alles nachmachen wollte. Aber sie waren drei Jahre auseinander, und James musste um acht ins Bett. Harris’ Mutter hatte eine Abmachung mit ihm: Geh zusammen mit deinem kleinen Bruder ins Bett, und wenn er eingeschlafen ist, darfst du runterkommen und Love Boat sehen.
    Also ging Harris mit ins Bett. Da lag er dann neben James und tat, als würde er schlafen, während er dem Atem seines Bruders lauschte und wartete. Manchmal schlief James ein, und Harris verschwand nach

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