Eden Prophecy
haben auf Ihren Freund geschossen«, sagte er. »Vielleicht sind Sie jetzt auch allein.«
Sie fühlte sich weiß Gott allein, und die Wendung der Ereignisse machte sie krank, aber sie durfte es nicht zeigen, erst wenn es keine andere Hoffnung mehr gab.
»Ich habe das Richtige getan«, sagte sie stolz. »Wenn du nicht dieser Ansicht bist, kann ich dich zu ihm zurückbringen.«
Scindo antwortete nicht. Er musterte sie nachdenklich und versuchte aus ihr schlau zu werden. Natürlich wollte er nicht wieder in Hawkers Klauen geraten.
»Was werden Sie mit mir machen?«
»Ich lasse dich nicht laufen, wenn du das meinst.«
Davon abgesehen wusste sie es selbst nicht. Es gab kein Drehbuch für diese Geschichte. Aber wenigstens redete er. Vielleicht hatte dieser Wahnsinn ja doch einen Wert, wenn sie nur ein klein wenig Information aus ihm herauskitzeln konnte.
»Hast du die Polizisten getötet?«
»Nein«, sagte er trotzig. »Ich bin auch kein Killer.« Darauf schien er stolz zu sein.
»Warum siehst du dann untätig zu, während die Leute, die dich im Stich gelassen haben, die halbe Welt zugrunde richten wollen?«
Endlich sah es aus, als würde sie an ihn herankommen. Ihre Aussage schien ihn zu bewegen, sie schien ihn etwas aus dem Gleichgewicht zu bringen. »Ich kenne eure Tricks«, sagte er abwehrend.
Sie ging nicht darauf ein. In seiner Panzerung hatte sich ein Riss aufgetan, und den galt es auszunutzen.
»Sie wollen ein Virus freisetzen, das auf der ganzen Welt Elend hervorruft. Verstehst du das? Millionen werden hungern, vielleicht Milliarden. Es wird Kriege, Hass und Gewalt geben. Du kannst dem Ganzen Einhalt gebieten.«
»So sieht mein tägliches Leben aus.«
»Wo?«, fragte sie.
Er zögerte.
»Und weil wir schon dabei sind, wie heißt du in Wirklichkeit?«, fügte sie an. »So viel Latein kann ich noch. Du bist nicht mit dem Namen Scindo zur Welt gekommen.«
»Welche Rolle spielt es, mit welchem Namen ich zur Welt gekommen bin?«, sagte er. »Sie rufen mich nicht mit meinem Namen, sie nennen mich dreckiger Araber. Sie spucken auf mich. Ich bin Franzose, aber die Franzosen hassen mich. Wenn wir kämpfen, schlagen sie uns. Wenn wir es nicht tun, nehmen sie uns nicht wahr. Wenn wir einfach sterben würden und nicht mehr da wären, wären sie glücklicher.«
»Wir?«
»Wir alle«, sagte er und wurde immer aufgebrachter.
»Wie die Freunde von dir, die diese Sekte getötet hat?«
»Ich habe nicht … sie …«
Er war aufgewühlt, zerrte an seinen Handschellen. Seine Nasenlöcher bebten.
»Woher kommst du?«, fragte sie in sanftem Ton. »Was kann es schaden, wenn du es sagst?«
Es war eine Frage, die sie bereits hundertmal gestellt hatte, nur wurde ihr jetzt klar, dass sie die Antwort bereits kannte. Doch er musste es zuerst sagen. Ein kleiner Riss, durch den die Wahrheit tropfte, dann die ganze Flut. Das hoffte sie zumindest.
»La Courneuve«, sagte er schließlich.
»Und dein Name?«, fragte sie so freundlich wie möglich. »Dein richtiger Name?«
Sein Blick huschte im Raum umher, aber er sagte nichts.
»Du solltest es mir wirklich sagen.«
»Warum?«
»Weil ich wahrscheinlich der letzte Mensch sein werde, der ihn hört, wenn uns deine Freunde eher finden als meine.«
»Der Meister hat mich Scindo genannt«, sagte er.
»Wie nennt dich deine Mutter?«
Er zögerte, ein irgendwie trauriges Innehalten.
»Es ist nur ein Name«, sagte sie. »Meiner ist Danielle.«
Er sah sich um. Er schien nachzudenken. Sein Blick ging kurz zu Boden, dann sah er sie wieder an. Sie konnte nur ahnen, welche Kämpfe in ihm vorgingen.
»Meine Mutter hat mich Yousef genannt«, sagte er und senkte den Blick. »Yousef Kazim. Es war der Name ihres Vaters.«
»Liebst du sie?«
»Natürlich. Ich liebe meine ganze Familie.« Er hob die Stimme. »Deshalb kämpfe ich.«
Das war die Öffnung. Das war ihre Chance.
»Verstehst du nicht, was passieren wird, wenn diese Leute bekommen, was sie wollen? Ist dir nicht klar, dass alle, die du kennst, zu Schaden kommen werden? Alle Menschen, die dir etwas bedeuten, werden schlechter dran sein als zuvor. Sie werden leiden.«
»Es wird gleich verteilt sein«, sagte er abwehrend.
»Nein«, sagte sie. »Es wird nie gleich verteilt sein. Den Reichen wird es weiter gut gehen, aber die Armen werden schlechter dran sein. Sie werden mehr Elend und Hunger erleben, mehr Zerstörung und Schmerz.«
»Die Reichen werden sie fürchten«, sagte er.
»Ja. Und wenn sie Angst vor ihnen haben,
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