Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
»Soll ich übernehmen und für dich zu Ende zeichnen?«
»Das hätte keinen Sinn«, winkte ich ab. »Mrs Link würde sofort merken, dass ich das niemals selbst gemacht haben kann. Ich werde in die Schulgeschichte eingehen als die schlechteste Künstlerin aller Zeiten.«
»Hat sie das gesagt?«
»Nicht wörtlich, aber sie hat mir auf ihre Art zu verstehen gegeben, dass es schon fast eine Leistung ist, so unbegabt zu sein wie ich.« Ryan betrachtete meine Zeichnung noch einmal genau.
»Wo sie recht hat, hat sie recht.«
Ich zog ihm grinsend meinen Skizzenblock über und stand auf. »Ich hab Hunger. Wollen wir was essen gehen?«
Er klappte sofort seinen Block zu, und gemeinsam schlenderten wir in Richtung Cafeteria.
»Hier gibt es aber vor allem Fleisch«, warnte ich ihn. »Cornwall ist noch nicht so fortschrittlich wie Wolfeboro.«
»Du hältst mich bestimmt für seltsam«, sagte Ryan und lächelte.
»Na ja, ein bisschen«, gab ich zu und griff zwei Hummus-Sandwiches für Ryan und mich. Dazu nahm ich zwei Flaschen Holunderblütenlimo und ging zur Kasse. Ryan bestand darauf zu bezahlen. Ich würde mich nächstes Mal revanchieren, dachte ich und stockte. Nächstes Mal? Vielleicht bildete ich mir das ja auch nur ein, aber es fühlte sich an, als wäre da etwas zwischen uns.
»Darf ich dich etwas fragen?«, sprudelte es aus mir heraus, als wir uns an einen Fenstertisch gesetzt hatten. »Und versprichst du, dass du nicht sauer wirst?« Ich musste das Risiko einfach eingehen. Ich holte tief Luft und fragte: »Bist du in einer Sekte?«
Ryan wurde blass und starrte auf sein Sandwich. »So was in der Richtung«, murmelte er dann. »Mein Vater ist Mitglied bei einer ziemlich radikalen Umweltschutzorganisation. Sie haben sich der Rettung einheimischer Tiere und gefährdeter Biotope verschrieben. Wir verbringen den Großteil unserer Freizeit mit irgendwelchen Umweltschutzaktionen und Bäumepflanzen. Dafür sehen wir so gut wie nie fern und gehen niemals in Fastfood-Restaurants. Deshalb bin ich in Sachen Unterhaltungskultur auch oft nicht auf dem neuesten Stand.«
Als er ausgesprochen hatte, sah Ryan auf und suchte meinen Blick. Seine Worte hatten hölzern geklungen, wie auswendig gelernt – als ob er geahnt hätte, dass ich irgendwann fragen würde, und sich entsprechend vorbereitet.
»Hoffentlich hältst du mich nicht für unverschämt«, sagte ich. »Ich bin einfach nur noch niemandem begegnet, der so ist wie du.«
Ryan zuckte die Schultern. »Kann ich mir vorstellen«, sagte er und versuchte unbeschwert zu klingen.
Nachdem wir unsere Mittagspause beendet hatten, ging ich noch kurz zur Toilette. Zum Glück hatte ich mich bereits in einer Kabine eingeschlossen, als ich Chloe Masons Stimme hörte. Eine Tür schlug hinter ihr und einer zweiten Person zu.
»Er sieht wirklich verdammt gut aus«, sagte Chloe. »Und in seinen eigenen Klamotten ist er sogar noch heißer als in der Schuluniform.«
»Dieses T-Shirt, das er heute anhat, ist echt ziemlich sexy«, sagte eine andere Stimme, die ich als Melissas erkannte. »Es liegt so eng an, dass man seine Muskeln sieht. Ich wette, er hat einen richtigen Waschbrettbauch.«
»Er hätte jede haben können«, sagte Chloe jetzt genervt. »Warum verschwendet er seine Zeit mit Eden Anfield und ihren dämlichen Freunden?«
Mir stockte der Atem, als ich meinen Namen hörte. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich die Tür aufschließen und rauskommen sollte, entschied mich dann aber dagegen. Jetzt war es zu spät und würde nur unnötig peinlich für alle.
»Sie ist aber hübsch«, wandte Melissa ein.
»Na ja, wenn man auf Hungerhaken, flache Brüste und Rothaarige steht, vielleicht«, sagte Chloe. »Ich hätte gedacht, dass er mehr auf den erotischen Mädchentyp abfährt.«
»Auf mich also«, kicherte Melissa.
»Ich dachte, Eden sei mit Connor Penrose zusammen«, überlegte Chloe weiter. »Sie muss wohl Schluss gemacht haben mit ihm.«
»Das würde auch erklären, warum er in letzter Zeit so unglücklich aussieht. Sitzen meine Haare eigentlich richtig? Hinten meine ich?«
»Alles perfekt. Fertig?«
Ich hörte, wie eine Tür auf- und zuging. Sicherheitshalber wartete ich aber noch eine Minute, bis ich aus der Kabine trat, um mir die Hände zu waschen.
»Deine Freundin Chloe hat sich gerade über deine Figur ausgelassen«, sagte ich, als ich mich wieder zu Ryan an meinen Platz setzte. »Sie findet, dass du heute ganz besonders scharf aussiehst.«
Ryan hob eine
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