Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
recht hätten. »Leben im Augenblick gerade viele Leute aus der Zukunft bei uns?«, flüsterte ich.
Ryan richtete sich wieder auf. »Nein. Nur Ben, Cassie, ich und unser Aufräumer.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Zeitreisen sind, wie gesagt, streng limitiert.«
»Aber warum?«, insistierte ich. »Stell dir vor, man könnte einfach in die Vergangenheit reisen und Charles Dickens treffen, sich das viktorianische London anschauen oder zur Enthauptung von Catherine Howard gehen.«
»Gruselige Vorstellung.«
»War nur so ein Gedanke. Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass die Leute ganz scharf darauf wären, in die Vergangenheit zu reisen.«
»Aber stell dir doch nur mal vor, was Zeit-Touristen alles anrichten könnten, wenn sie quer durch die Geschichte marodierten«, gab Ryan zu bedenken. »Neonazis würden in die 1930er-Jahre zurückreisen, um Hitler zu helfen, den Krieg zu gewinnen. Sie könnten die ganze Menschheitsgeschichte durcheinanderbringen. Zeitreisen sind die ultimativen Massenvernichtungswaffen.«
Ein dumpfer Schmerz begann hinter meinen Augen gegen die Stirn zu drücken. »Ich habe so viele Fragen«, murmelte ich und legte den Kopf in meine Handflächen.
»Ich habe dir aber auch eine Menge auf einmal erzählt«, lenkte Ryan ein. »Dazu kommt, dass du mit niemandem über all das sprechen darfst, was dich gerade beschäftigt. Je mehr ich dir erzähle, desto komplizierter wird alles für dich. Das muss dir klar sein, Eden. Von mir aus können wir es hierbei bewenden lassen – ich habe dir genug Informationen gegeben, damit du verstehst, weshalb ich hier bin und was ich hier will. Und warum unsere Mission so wichtig ist.«
Ich nickte. »Ich könnte dir helfen«, sagte ich leise.
Ryan lächelte. »Ich habe gehofft, dass du das sagst.«
»Was kann ich tun?«
»Du kannst mir helfen, dass ich engeren Kontakt zu Connor bekomme. Ich habe mittlerweile alles versucht, aber dummerweise kann er mich einfach nicht leiden.«
»Stimmt. Er scheint wirklich etwas gegen dich zu haben. Warum auch immer. Fast so, als würde etwas in ihm ahnen, dass du hier bist, um seine Zukunft zu zerstören.«
»Ich muss aber irgendwie an ihn herankommen, wenn ich auch nur den Hauch einer Chance haben will, den Gang der Dinge zu beeinflussen, die zur Entdeckung des Planeten führen.«
»Ich kann nicht zaubern, und dass er dein bester Freund wird, wage ich zu bezweifeln. Aber ich kann sicherstellen, dass wir unsere Freizeit nach der Schule und an den Wochenenden gemeinsam verbringen«, sagte ich nachdenklich.
»Super, das klingt perfekt. Vor allem, wenn du es in der Nacht hinbekämst, in der man Eden von hier aus sehen kann.«
»Und wann ist das genau?«
»Am 23. Juni.«
»Da ist unser Abschlussball.«
»Genau. Aber das ist auch schon alles, was ich an Hinweisen habe. In seiner Autobiographie spricht Connor von einem Mädchen – der großen Liebe seines Lebens – und davon, dass sie in dieser Ballnacht sein Herz bricht. Die beiden scheinen auf dem Fest einen Riesenstreit zu bekommen, und um Dampf abzulassen, geht er an die frische Luft, um sich die Sterne anzusehen. Na ja, und dabei entdeckt er dann ganz zufällig Eden.«
Ryan griff nach Connors Autobiographie und blätterte durch die Seiten. Als er die Stelle gefunden hatte, las er sie laut vor:
»An diesem Abend waren wir alle auf einem Fest. Und ich war kreuzunglücklich. Dieses Mädchen war die große Liebe meines Lebens, und sie hatte nichts Besseres zu tun, als mich in aller Öffentlichkeit vorzuführen. Daraufhin verließ ich die Party und machte das, was ich immer tue, wenn ich unglücklich bin: Ich schaute in die Sterne. Diese Abermillionen leuchtender Planeten dort draußen im Weltraum machen einen ehrfürchtig und auf gewisse Weise demütig. Ein gebrochenes Herz erscheint unter dem Licht der Sterne bedeutungslos.«
Ryan legte das Buch zurück auf den Boden. »Bei diesem Mädchen, von dem er da spricht, handelt es sich offensichtlich um dich.«
»Und wieso bist du dir da so sicher?«
»Du bist seine älteste Freundin, und er nennt den Planeten Eden. Wenn das mal nicht ausreicht …«
»Ziemlich windig, deine Theorie.«
Ryan zuckte die Schultern. »Er sagt nicht genau, auf welcher Party die beiden sind, aber ich gehe davon aus, dass es sich entweder um den Abschlussball selbst handelt oder um die Party direkt im Anschluss, auf der es dann zum Eklat kommt. Das macht ihr doch hier in eurer Zeit, oder? Nach dem Ball noch feiern
Weitere Kostenlose Bücher