Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
fahren?«
»Nein, ich nehme den Bus.«
»Oh, na gut. Dann sehen wir uns also in der Schule, oder?« Ryan klang verstört und rang hörbar um jedes Wort. Er wollte auf keinen Fall etwas Falsches sagen. Zufrieden und ohne mich zu verabschieden, legte ich auf. Ich wollte , dass er litt. Sollte Mr Perfect ruhig an sich zweifeln und darüber nachgrübeln, ob er unsere Beziehung möglicherweise falsch eingeschätzt hatte.
Elftes Kapitel
Der Wind war abgeflaut und die Luft diesig vor Nebel und Nieselregen. Als ich die Bucht erreichte, löste sich der Dunst ein wenig und ich sah eine Frau, die ein Stöckchen für ihren Hund warf, und einen Jungen, der mit dem Rücken zu mir auf einem Felsen saß und zeichnete. Jetzt drehte er sich zu mir um und lächelte. Ryan.
Ich hatte ihn seit Tagen nicht mehr gesehen. Er hatte mir am Mittwoch angeboten, mich nach der Französischprüfung nach Hause zu fahren. Ich hatte mich jedoch mit der fadenscheinigen Entschuldigung, dass ich Miranda in der Stadt treffen müsse, aus der Affäre gezogen. Am Donnerstagvormittag hatte er dann noch mehrfach versucht, mich zu erreichen – ich hatte aber immer die Mailbox vorgeschickt. Dann hatte Ryan aufgegeben. Von Connor hatte ich erfahren, dass Ryan den Donnerstagnachmittag mit ihm und Matt in den Arkaden verbracht habe. Dass Chloe auch mit von der Partie gewesen sein musste, schloss ich aus Connors boshaftem Tonfall, als er »ein paar Mädchen aus der Schule« erwähnte. Sie namentlich zu nennen, traute er sich wohl nicht …
Der Nebel wurde dicker, und Ryan verschwand wieder aus meinem Sichtfeld. Ziemlich seltsame Beschäftigung für jemanden aus der Zukunft – zeichnen , dachte ich. Hat er nichts Besseres zu tun?
Ich erwog kurz, ob ich Ryan einfach ignorieren und weiterjoggen sollte – doch einmal mehr war der Wunsch, bei ihm zu sein, größer als mein Wille, ihn endlich zu vergessen. Fluchend schaute ich an mir hinunter und ärgerte mich über meine verlotterten Laufklamotten; dann steuerte ich, ziemlich unelegant über Kieselsteine und Sand stolpernd, Ryans Felsen an.
»Hi, Eden«, sagte er, klappte sein Skizzenbuch zu und legte es in den Sand. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Alles bestens.«
»Du hast auf keinen einzigen meiner Anrufe reagiert. Ich habe mich schon gefragt, ob du mir bewusst aus dem Weg gehst.«
»Tja, ich bin dir tatsächlich aus dem Weg gegangen.«
Ryan starrte aufs Meer hinaus. »Oh.«
Ich setzte mich zu ihm auf den Felsen. »Was zeichnest du gerade?«
»Ach, nichts Besonderes. Ich zeichne gerne, wenn ich nachdenken muss. Dabei kann ich mich entspannen.«
»Fährst du morgen mit nach Plymouth?«
Ryan nickte. »Ich hatte es vor. Connor hat mich eingeladen. Er sagte, dir läge etwas daran, dass ich mitkäme. Aber mittlerweile bin ich mir da gar nicht mehr so sicher.«
»Kommt Chloe auch?«
Ryan schaute mich verwirrt an. »Chloe Mason? Nach Plymouth?«
Ich nickte nur. Was hätte ich auch sagen sollen?
»Und warum sollte sie deiner Meinung nach mit uns kommen?«
»Ihr seid neuerdings ja ziemlich eng miteinander«, stichelte ich.
»Hast du deshalb meine Anrufe ignoriert?« Ryan sah mich an. »Bist du etwa eifersüchtig auf Chloe?« Er klang eher überrascht als belustigt.
»Nicht eifersüchtig«, blaffte ich. »Ich sehe jetzt nur ein bisschen klarer.«
»Und was siehst du klarer?«
»Dich.«
Er hob eine Augenbraue.
»Weißt du, der Groschen ist bei mir gefallen, als ich Chloe und dich in der Spielhalle miteinander flirten sah«, brach es jetzt aus mir heraus. »Du treibst den ganzen Aufwand mit dem Zeitreisen und der ganzen Mission nicht, um dich mit irgendwelchen Leuten aus der Vergangenheit anzufreunden. Das ist mittlerweile bei mir angekommen. Du bist nur deshalb hier, weil du einen Auftrag erfüllen musst, und dieser Auftrag lautet, Connor davon abzuhalten, den Planeten zu entdecken.«
»Ja.« Ryan nickte und setzte zu einer Erklärung an; ich unterbrach ihn jedoch schroff.
»Damit ist unsere Freundschaft für dich aber nichts anderes als ein Mittel zum Zweck. Das ist mir jetzt auch klar«, sagte ich, eine Spur zu laut.
»Nein, du verstehst gar nichts.«
Ryan ließ den Satz einfach im Raum stehen.
»Wie auch immer – was machst du da überhaupt?«, fragte ich und griff nach dem Zeichenblock im Sand.
»Ach, das ist eine Art privates Kunstprojekt«, sagte er unbehaglich und versuchte, mir den Block aus der Hand zu nehmen. »Vollkommen uninteressant.«
Ich wehrte ihn ab und schlug die erste
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