Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
Connor sah mich immer noch so wutentbrannt an, dass ich mich entschloss, die Notbremse zu ziehen. Immerhin hatte Ryan mir das Versprechen abgenommen, heute Nacht keinen Streit zu provozieren. Ich würde den beiden also heimlich folgen müssen.
»Oh Mann!«, rief ich und schlug mir mit der flachen Hand auf die Stirn. »Jetzt kapier ich’s endlich … Oh Gott, wie peinlich – ihr wollt natürlich alleine sein! … Ähem, ja, also dann … sehen wir uns in ein paar Minuten.«
Connor zog die Augenbrauen hoch, nahm Megan an der Hand und ging ohne ein weiteres Wort.
Ich sah den beiden noch eine ganze Weile nach, wie sie zusammen den Gang entlanggingen. Sobald Megan und Connor jedoch um die Ecke gebogen waren, rannte ich los. Weit kam ich aber nicht – meine Stöckelschuhe klackerten nämlich so laut auf dem Fliesenboden, dass man mich garantiert noch am anderen Ende des Schulgeländes hörte. Hastig riss ich mir die Schuhe von den Füßen und rannte barfuß weiter. Ich erreichte die Ecke, an der Connor und Megan abgebogen waren, gerade noch rechtzeitig, um sie auf der Treppenflucht verschwinden zu sehen.
Unsere Schule ist dreigeschossig: ganz unten die Turnhallen und der Theatersaal; im ersten Stock die Klassenräume und in den beiden Stockwerken darüber die Naturwissenschaftsräume – Chemiesaal, Physiksaal, Labore – und noch mehr Klassenräume.
Okay, sie gingen also hoch, höchstwahrscheinlich in unser altes Klassenzimmer. Hastig rannte ich den Gang wieder zurück, um über das andere Treppenhaus nach oben und in die Nähe der beiden zu gelangen.
Als ich die Stufen hochhetzte, hörte ich Megans helle Stimme irgendwo über mir. Sie kicherte euphorisch. Connor antwortete ihr, allerdings zu leise, als dass ich etwas verstehen konnte. Wieder Gekichere, diesmal näher. Verdammt! Sie kamen mir entgegen! Wenn ich jetzt die Treppe hochrannte, würden wir uns direkt in die Arme laufen!
Die Klassenräume und Flure waren dunkel, nur das Treppenhaus war hell erleuchtet. Wahrscheinlich irgendwelche Sicherheitsauflagen , überlegte ich. Was soll die Schlossbeleuchtung hier oben sonst bringen? Die Musik spielt doch unten! Ich hielt mich so nahe wie möglich an der Wand, um keinen Schatten zu werfen, und schlich die Treppe hoch. Dabei schickte ich Stoßgebete zum Himmel, dass Megan und Connor nicht in meine Richtung schauten und merkten, dass ich sie verfolgte wie ein perverser Stalker.
Meine Sorge erwies sich als unberechtigt: Die beiden hatten nur Augen für einander und gingen einträchtig den Gang entlang.
Keine Frage: Connor wollte Megan in ein Klassenzimmer locken. Aber warum? Ich hielt den Atem an. Es konnte nur einen Grund geben: Er mochte sie wirklich, und dass er mit ihr zum Abschlussball gegangen war statt mit mir, hatte nichts damit zu tun, dass er mich eifersüchtig machen wollte …
Ich hielt inne und erwog ernsthaft, ob ich gerade vollkommen den Verstand verlor. Andererseits hatte Ryan mir mit seiner Theorie, dass Connor Gefühle für mich hegte, einen solchen Floh ins Ohr gesetzt, dass ich bis jetzt ganz selbstverständlich davon ausgegangen war, dass er niemals über mich hinwegkommen würde oder gar ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen könnte, wenn ich nicht mit ihm zusammen sein wollte. Eines, in dem ich nicht mehr vorkam.
Was ich da gerade sah, belehrte mich jedoch eines Besseren: Connor hatte gemerkt, dass er bei mir nicht landen konnte, und war trotzdem zum Ball gekommen, mit Megan. Ja, er hatte sogar getanzt und sich jetzt auch noch mit ihr davongeschlichen. Als ich Megan wieder kichern hörte, wollte ich im Boden versinken vor Scham. Nichts widerstrebte mir mehr, als den beiden nachzuspionieren. Aber noch viel weniger wollte ich meine besten Freunde in einem Klassenzimmer heimlich miteinander rummachen sehen.
So wie es aussah, bewahrten sie mich aber wenigstens vor dieser allerletzten Peinlichkeit – denn Connor und Megan bogen nicht zu den Klassenzimmern ab, sondern gingen weiter in den zweiten Stock. Sogar noch weiter, stellte ich atemlos fest, als ich ihnen folgte: Im dritten Stock bogen sie nach rechts auf den Flur zu den Labors ab. Ich folgte ihnen mit klopfendem Herzen und sah mich panisch nach einem Versteck um, falls sich einer von beiden plötzlich umdrehte … Es gab nicht viele Möglichkeiten, aber wenigstens war es dunkel und schattig genug, dass ich im Fall der Fälle in einem Türsturz in Deckung gehen könnte. Von sehr weit unten drang der wummernde Bass der Musik zu
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