Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
uns herauf.
Als sie am Ende des Gangs angekommen waren, blieb Connor stehen, holte einen Schlüssel aus der Innentasche seiner Smokingjacke und schloss die Labortür auf.
Ich wartete, bis die beiden den Raum betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatten, dann huschte ich barfuß hinterher. Zum Glück haben alle Türen an unserer Schule eine schmale Glasblende, sodass man von außen in die Klassenzimmer sehen kann. Ich ging in die Hocke und versuchte herauszufinden, was dort drinnen passierte.
Zuerst erkannte ich rein gar nichts, weil es im Labor stockdunkel war. Als die Leuchtstoffröhren an der Decke jedoch eingeschaltet wurden, konnte ich etwas erkennen: Hohe Arbeitstische, ordentlich daruntergeschobene Stühle. Mikroskope. Bunsenbrenner. Ein lebensgroßes menschliches Skelett.
Und ein Teleskop.
Mein Herz blieb beinahe stehen vor Schreck. Wie hatten wir die Möglichkeit übersehen können, dass Connor während des Balls in die Laborräume hochgehen könnte? Die Säle waren zwar immer abgeschlossen, aber irgendwie war es ihm offenbar gelungen, an einen Schlüssel zu kommen. Leise fluchend bereute ich, dass ich mein Handy nicht dabeihatte und damit keinerlei Möglichkeit, Ryan zu erreichen. Das antike Ding war zu groß für mein kleines Handtäschchen gewesen; deshalb hatte ich es gleich zu Hause gelassen. Ich schaute auf meine Armbanduhr. Viertel vor elf. Noch eine Viertelstunde, bis der Ball endete. Und Eden war immer noch sichtbar.
Jetzt schloss Connor die Glastür auf, die vom Klassenzimmer auf das Flachdach nach draußen führte. Dort veranstaltete die Astronomie-AG immer ihre Sternbeobachtungsnächte. Mein Herz klopfte vor Aufregung, und mein Magen krampfte sich zusammen. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Eigentlich blieb mir nur zu hoffen und zu beten, dass Connor Megan deshalb hier heraufgebracht hatte, weil er sie ungestört küssen wollte. Der Schlüssel sprach dafür, dass er diesen Moment sorgfältig geplant und vorbereitet hatte.
Ich drückte mir die Nase an der Glasblende platt und starrte zu den beiden hinein. Sah, wie Connor das Licht löschte und Megan an der Hand nahm. Der Raum tauchte wieder in vollkommene Dunkelheit.
Ich wartete ein paar Sekunden, dann drückte ich die Labortür auf und schlüpfte in den Raum. Dass sie hinter mir mit einem lauten Knall ins Schloss fallen könnte, hatte ich nicht kalkuliert und erschrak fast zu Tode, als sie es tat. Schnell duckte ich mich unter einen Tisch und hielt den Atem an. Fehlalarm. Connor und Megan kamen nicht zurück, um nachzusehen, woher der plötzliche Krach kam. Entweder hatten sie nichts gehört, oder es war ihnen egal. Vorsichtig kroch ich aus meinem Versteck und ging auf Zehenspitzen zur Glastür, die auf das Flachdach führte. Die beiden standen eng nebeneinander am Dachrand und sahen hinunter in den Schulgarten. Ihre Schultern berührten sich, doch Connor machte keinerlei Anstalten, Megan in den Arm zu nehmen. Jetzt sagte er etwas zu ihr, und prompt warf sie den Kopf zurück und lachte lauthals. Über ihnen und um sie herum funkelten eine Million Sterne. Das Teleskop war aber immer noch im Labor.
Panisch schaute ich in den Nachthimmel und suchte nach einem Sternbild, das ich kannte. Kassiopeia hatte ich schnell gefunden. Von dort aus suchte ich weiter nach Perseus, genau wie Ryan es mir vor ein paar Wochen gezeigt hatte. Mag sein, dass ich in meinem Eifer instinktiv einen Schritt näher an die Glasscheibe trat – ich kann es rückblickend nicht mehr sagen. Was ich aber ganz genau sagen kann, ist, dass Connor genau in dem Moment hektisch herumfuhr und in Richtung Klassenraum sah, als ich den Blick vom Himmel abwandte. Sofort trat ich einen Schritt zurück, doch sein erschrockener Gesichtsausdruck sprach Bände – er hatte mich offensichtlich entdeckt.
Ich drückte mich noch ein wenig enger an die Wand und blieb mit klopfendem Herzen stehen. Vielleicht hatte Connor mich ja nicht erkannt? Es blieb der Hauch einer Chance, dass er mich für einen Lehrer hielt. Immerhin war es stockdunkel im Raum. Ich bewegte keinen Muskel und hoffte, dass er mein Herz nicht klopfen hörte.
Jetzt wurde die Glastür aufgestoßen, und Connor schlüpfte ins Labor. »Eden!«, sagte er. Seine Stimme bebte vor Zorn. » Was machst du hier?«
Nun kam auch Megan noch herein.
»Ähem, ich wollte raus an die frische Luft«, log ich und trat aus meinem Versteck.
»Unsinn. Du bist uns gefolgt«, rief Connor.
Ich schüttelte heftig den Kopf.
Weitere Kostenlose Bücher