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Eden

Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Welt gefunden. Etwas, was mir gar nicht gefallen will. Ich habe es ins Spiritusbad gelegt. Später könnt ihr es euch ansehen. Im Augenblick haben wir wichtigere Dinge vor. Der Maschinenraum sieht leider wie ein Schlachthaus aus. Es muss alles hinausgetragen und vergraben werden, denn es ist ziemlich warm in der Rakete, Eile wäre geboten, vor allem bei dieser Hitze. Ihr könnt euch dunkle Brillen aufsetzen und die Gesichter verbinden. Der Geruch ist nicht unangenehm, aber so eine Menge rohes Fleisch …«
    »Du scherzt?« fragte der Physiker unsicher. »Keineswegs.«
    Jetzt erst trat der Doktor aus dem Tunnel. Über dem Gummimantel trug er einen zweiten weißen, der von oben bis unten rot bespritzt war.
    »Wirklich, man kann dabei umfallen, es ist mir äußerst unangenehm. Aber was soll ich tun? Es muss sein. Kommt gleich.« Der Doktor wandte sich um und verschwand. Die anderen blickten einander an und folgten ihm in den Tunnel. Ihre Totengräberarbeit, wie der Chemiker sie nannte, war erst am späten Nachmittag beendet. Sie arbeiteten halbnackt, um die Kombinationen nicht zu beschmutzen, und schleppten die schreckliche Last hinaus, wie es gerade ging, in Kübeln, auf blechernen Tragen. Sie vergruben die zerstückelten Teile ungefähr zweihundert Schritt von der Rakete entfernt, auf dem Gipfel des Hügels, und verbrauchten trotz der Ermahnungen des Koordinators fünf Eimer Wasser zum Waschen. Solange das Blut des großen Geschöpfes nicht gerann, erinnerte es an menschliches, aber es wurde rasch orangerot und trocknete zu gelblichem rasch sich zerstreuendem Pulver. Die erschöpfte Mannschaft lagerte am Fuß der Rakete. Niemand mochte auch nur an Essen denken, alle schlürften gierig ihren Kaffee und nickten einer nach dem anderen ein, obwohl sie eigentlich vorgehabt hatten, sich die erste Etappe der Reparaturarbeiten zu überlegen. Als sie erwachten, wurde es Nacht. Wieder mussten sie zurück in die Rakete, um Lebensmittel zu holen, mussten sie Konservendosen öffnen, sie erwärmen und nach dem Essen das Geschirr waschen. Dabei wurde es Mitternacht. Da alle ausgeschlafen waren, beschlossen sie, sich nicht hinzulegen, sondern die Instandsetzungsarbeiten in Angriff zu nehmen.
    Die Herzen schlugen ihnen höher, als sie das Plastik- und Metallgerümpel wegräumten, das von dem Gehäuse des schadhaften Generators übriggeblieben war. Sie arbeiteten mit Brecheisen und Winden und verwandten Stunden darauf, den stählernen Schutt auf der Suche nach jedem Ersatzteil, nach jeder Kleinigkeit, ob Libelle oder Schlüssel, zu durchwühlen.
    Schließlich hatten sie es geschafft. Der seitliche Generator war vollständig überprüft, das schadhafte Lager ausgewechselt, auch die Schaufeln des kleinsten Kompressors waren wieder gebrauchsfähig. Der Ingenieur hatte das übrigens auf eine ebenso einfache wie primitive Weise fertiggebracht: Da zuwenig Reserveschaufeln vorhanden waren, schnitt er jede zweite Schaufel ab. Der Rotor musste auf die Weise freilich mit geringerer Effektivität arbeiten, war aber jedenfalls wieder funktionstüchtig. Gegen fünf Uhr früh verkündete der Koordinator das Ende der Arbeiten. Er meinte, sie würden ohnehin noch manchen Ausflug machen müssen, sei es auch nur, um den Wasservorrat zu ergänzen. Anlässe würde es noch manche geben, doch der Schlaf- und Wachrhythmus dürfe deswegen nicht gestört werden. Bis zum Morgengrauen sollten sie noch schlafen, dann ginge es wieder ans Werk. Der Rest der Nacht verlief ruhig. Nach der Ruhe verspürte keiner Lust, die Rakete zu verlassen. Alle waren bereit, unverzüglich weiterzuarbeiten. Der Ingenieur hatte sich einen Satz der wichtigsten Werkzeuge zusammengesucht, sie brauchten nun nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit durch alle Kajüten zu rennen. Zuerst überprüften sie die Schalttafel, in der es von Kurzschlüssen wimmelte. Sie mussten sie fast von neuem bauen. Den Bruch ersetzten sie durch Teile, die sie rücksichtslos aus anderen, nicht funktionierenden Anlagen ausbauten. Dann gingen sie daran, den Generator anzulassen. Der vom Ingenieur ausgearbeitete Plan war ziemlich riskant: Den Dynamo drehten sie mit dem Kompressor, der in eine Turbine mit Sauerstoffantrieb aus der Flasche umgewandelt wurde. Unter normalen Bedingungen wurde der Havariekomplex durch Hochdruckwasserdampf aus dem Reaktor angetrieben. Der Reaktor, das Herz des Raumschiffs, galt als der widerstandsfähigste aller Mechanismen. Aber daran war jetzt nicht im entferntesten zu denken, immerhin

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