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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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entreißen könnte; aber der Vorschlag wurde kühl aufgenommen, daher ließ er ihn fallen und sagte auch dem Koch kein Wort. Diese Vorsicht war sein Glück, denn am Nachmittag ging der Koch förmlich zur Partei des Schiffers über; Jones aber suchte Streit mit Peters und drohte, dessen Plan den Machthabern zu enthüllen. Jetzt war keine Zeit zu verlieren; Peters erklärte sich bereit und fest entschlossen, das Schiff um jeden Preis zu nehmen, falls Augustus ihm beistehen wolle. Mein Freund versicherte ihm sofort seine Bereitwilligkeit und hielt nun die Gelegenheit für günstig, meine Anwesenheit an Bord zu verraten. Das Erstaunen und die Freude des Mestizen waren groß, da er sich auf Jones nicht mehr verlassen konnte und ihn schon zur Partei des Maats zu rechnen Ursache hatte. Sofort gingen sie unter Deck, Augustus rief mich beim Namen und machte mich mit Peters bekannt. Wir einigten uns dahin, das Schiff bei der ersten günstigen Gelegenheit zurückzuerobern, und ließen Jones völlig beiseite. Im Falle des Gelingens würden wir die Brigg nach dem nächstgelegenen Hafen steuern und dort abliefern. Da sein Anhang ihn im Stich gelassen hatte, gab Peters den Plan, nach dem Stillen Ozean zu segeln, auf; ohne Mannschaft ließ sich solch ein Unternehmen nicht durchführen, und er rechnete darauf, bei der Verhandlung entweder wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen zu werden (er behauptete feierlich, in einer Geistesstörung zur Teilnahme an der Meuterei verleitet worden zu sein) oder, falls er verurteilt würde, auf Grund unserer Darstellung begnadigt zu werden. Unsere Besprechung wurde durch den Befehl: »Alle Mann an Deck! Segel reffen!« unterbrochen, und ich allein blieb im Vorderkastell zurück.
    Wie gewöhnlich, war die Mannschaft bis auf den letzten betrunken, und bevor man ordentlich ans Reffen gehen konnte, hatte eine heftige Bö das Schiff vornüber gelegt; doch gelang es, die Brigg wieder aufzurichten, nachdem sie eine Menge Wasser eingenommen hatte; kaum war alles in Ordnung, da kam eine zweite Bö und noch eine, aber es geschah kein Schaden. Ein Sturm schien sich vorzubereiten, und in der Tat blies er bald in großer Wut aus Norden und Westen. Man machte alles so fest wie möglich, und wir legten bei, wie gewöhnlich, unter gerefften Focksegeln. Die Nacht kam heran, der Sturm nahm an Heftigkeit zu, die See ging auffallend hoch. Peters kam nun mit Augustus ins Vorderkastell, und wir nahmen unsere Beratungen wieder auf.
    Wir waren darin einig, daß keine Gelegenheit für die Ausübung unseres Vorhabens günstiger sein könne als die gegenwärtige, da ein Angriff in diesem Augenblick unmöglich erwartet würde. Man brauchte, bis wieder gutes Wetter eintrat, nicht zu manövrieren; dann könnten wir im Falle des Gelingens einen oder zwei von den Leuten verschonen, damit sie uns hülfen, das Schiff in den Hafen zu bringen. Die Hauptschwierigkeit lag in der großen Ungleichheit der Streitkräfte. Wir waren unser nur drei, die Kajüte zählte neun Mann. Alle Waffen befanden sich in ihrem Besitz außer ein paar kleinen Pistolen, die Peters an seinem Leibe versteckt hatte, und dem großen Seemannsmesser, das er stets im Hosengürtel trug. Aus gewissen Anzeichen – zum Beispiel, daß Äxte und Handspeichen nicht mehr an ihrem gewöhnlichen Ort lagen – schlossen wir auf einen Verdacht des Maats, wenigstens auf Peters, und daß jener keine Gelegenheit vorübergehen lassen würde, sich des Halbbluts zu entledigen. Was wir beschlossen hatten, mußte bald getan werden, soviel war uns klar. Doch waren wir so sehr im Nachteil, daß wir nur mit der größten Behutsamkeit vorgehen durften.
    Peters schlug vor, wir sollten an Deck gehen, dort wollte er ein Gespräch mit der Wache (Allen) beginnen und ihn dann ohne Umstände über Bord werfen; dann sollten Augustus und ich herankommen, uns mit irgendwelchen Waffen versehen und im Sturm den Eingang der Kajüte besetzen, ehe an Widerstand zu denken war. Dem widersprach ich, denn ich konnte nicht glauben, daß der Maat, ein verdammt schlauer Kerl in allen Dingen, die nichts mit seinem Aberglauben zu tun hatten, sich so leicht überfallen ließe. Die Tatsache, daß eine Wache auf dem Verdeck war, genügte schon als Beweis für sein Mißtrauen; denn auf Schiffen ohne Disziplin ist dergleichen nicht üblich, sobald das Schiff beigedreht hat. Da ich mich zumeist an Leser wende, die nie auf der See gewesen sind, möchte ich hier die Lage eines Fahrzeuges unter derartigen

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