Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
wenn Sie noch einmal hereinkommen, ohne daß Sie gerufen sind, dann fliegen Sie! Haben Sie das verstanden?«
»Vollkommen, mein Herr. Was wünschen Sie zu Abend zu speisen?«
Bellamy war sprachlos über den Mann und zeigte nur stumm auf die Tür.
30
V alerie ging in dem Garten spazieren und versuchte ihre Aufregung niederzukämpfen und sich über die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden klarzuwerden. Da sah sie, daß etwas Weißes über die Mauer geworfen wurde. Sie trat näher, nahm das Briefchen auf und öffnete es. Als sie die schnell hingekritzelten Zeilen gelesen hatte, steckte sie das Papier in ihre Handtasche.
Um zehn Uhr wurde ihr der Besuch Jim Featherstones gemeldet. Sie hatte mit dieser Möglichkeit gerechnet und empfing ihn im Gang.
»Ich bin froh, daß Sie gekommen sind« sagte sie schnell. »Ich möchte Ihnen die Geschichte von Mrs. Held erzählen.« Sie führte ihn hinein, und sie saßen sich bald im Wohnzimmer gegenüber. »Zuerst möchte ich Ihnen aber etwas geben, was Ihnen gehört. Das Zimmermädchen fand dies heute morgen.« Bei diesen Worten nahm sie ein kleines Paketchen vom Schreibtisch.
»Es wird mein Manschettenknopf sein, ich habe mich selbst schon danach umgesehen, aber ich hatte nicht viel Zeit, denn ich wollte das Haus verlassen, bevor Sie wieder zu sich kamen.«
»Sie haben mich also hierhergebracht – nein, nein, erzählen Sie es mir nicht!« Sie hob abwehrend die Hand. »Ich möchte nichts mehr davon hören. Sie waren so unendlich gut zu mir, Captain Featherstone, und ich hätte mir viel Unruhe und Aufregung erspart, wenn ich nicht so töricht gewesen wäre« setzte sie mit einem schwachen Lächeln hinzu. »Ich hätte Ihnen schon früher erzählen sollen, was ich Ihnen jetzt sagen will. Sie wissen nicht, obwohl Sie es vielleicht geahnt haben mögen, daß Mr. Howett nicht mein Vater ist.«
Als sie ihn bei diesen Worten fest ansah, konnte sie erkennen, daß diese Nachricht vollkommen neu für ihn war.
»Vor dreiundzwanzig Jahren war Mr. Howett noch ein armer Mann« fuhr sie fort. »Er wohnte auf einer dürftigen, kleinen Farm in Montgomery in der Nähe von Trainor. Aus dem Ertrag seines Grundstücks an Gemüsen und Gartenfrüchten konnte er gerade so viel herauswirtschaften, daß er das nackte Leben hatte. Damals litt er unter einer bösen Augenkrankheit, die ihn nahezu blind machte. Er lebte allein mit meiner Pflegemutter, denn sie hatten keine Kinder. Aber obwohl sie schon lange miteinander verheiratet waren und Mühe hatten, sich selbst zu unterhalten, setzten sie doch eine Annonce in die Zeitung, daß sie ein Kind annehmen wollten. Ich will Ihnen nun nicht einen Bericht über den späteren günstigen Lebenslauf Mr. Howetts geben – Sie wissen ja selbst am besten, welches Glück er hatte, als er nachher eine neue Farm in einem anderen Teil der Vereinigten Staaten kaufte, auf deren Boden Petroleum gefunden wurde.«
»Viele Antworten kamen auf die Annonce, aber keine befriedigte die beiden. Eines Tages erhielt Mrs. Howett, die die ganze Korrespondenz führte, einen Brief. Hier ist er.« Sie nahm ein Schreiben aus der Schreibtischschublade und gab es Jim. Es kam von einem Hotel in der Fifth Avenue in New York und lautete:
»Sehr geehrter Herr, In Beantwortung Ihrer Annonce teile ich Ihnen mit, daß ich froh sein würde, wenn Sie ein kleines Mädchen im Alter von zwölf Monaten adoptierten, deren Eltern vor kurzem gestorben sind. Ich bin bereit, für Ihre Dienste tausend Dollars zu bezahlen.«
»Zu jener Zeit« fuhr Valerie fort, »wurde Mr. Howett gerade sehr von einem Mann bedrängt, der ihm Geld auf seine Farm geliehen hatte. Trotzdem er gern ein Kind gehabt hatte, war doch sicherlich das Geldangebot ausschlaggebend für ihn, und so wurde die Sache zu meinen Gunsten entschieden, denn ich war das kleine Mädchen. Mr. Howett schrieb, daß er einverstanden sei. Einige Tage später kam ein Mann in einem Einspänner zu der Farm, stieg aus, nahm ein Bündel aus dem Wagen und übergab es Mrs. Howett. Damals war auf der Farm ein kleiner Laufbursche angestellt, der sich sehr für das Photographieren interessierte. Jemand hatte ihm eine kleine Kamera geschenkt, und die erste Aufnahme, die er machte, war der Wagen mit dem fremden Mann, der gerade im Begriff war, auszusteigen. Dieses Bild hätte für immer verloren gehen können und damit auch alle Hoffnung, die Spur meiner Eltern jemals wiederzufinden. Aber zufällig hatte die Fabrik, die die Kameras herstellte, ein
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