Edgar Wallace - Der grüne Bogenschütze
Wichtigste. Mit seinen eigenen Händen hatte er die Möbel hineingetragen, die Gasleitung angeschlossen und die Entlüftungsanlage eingebaut. Er hätte auch elektrisch Licht hineingelegt, wenn es nicht so gefährlich gewesen wäre. Neugierige Elektriker wären dann in die Burg gekommen, vor denen er elektrische Leitungsdrähte nicht gut hätte verbergen können. Er hatte eine Woche lang daran gearbeitet, einen der alten Kamine des Hauptgebäudes mit dem unterirdischen Raum zu verbinden und die Entlüftungsanlage in Gang zu bringen.
Das Abendessen wurde ihm in der gewöhnlichen Menge um sechs Uhr gebracht. Julius, der das Auftragen des Eßtisches überwacht hatte, zog sich zurück. Diesen Abend hatte Bellamy zuerst gegessen, bevor er die Speiseschüsseln nach unten trug. Er dachte über den Grünen Bogenschützen nach. Wie wundervoll wäre es doch, wenn er ihn gefangen nehmen und drunten in den untersten Kerkern einsperren könnte. Ein festes Eisengitter müßte vor seiner Zelle sein, und er würde ihn dann jahrelang jeden Tag besuchen bis zu seinem Tode. Er malte sich das alles in den glühendsten Farben aus. Er konnte ihn dort unten solange gefangen halten, bis ihn der Wahnsinn überkam. Bellamys Atem ging schneller bei diesem Gedanken. Wer mochte nur der Grüne Bogenschütze sein? Zuerst hatte er Julius im Verdacht, dann glaubte er, daß es der naseweise Polizeibeamte Featherstone wäre, vielleicht war es aber auch eine Frau. Valerie? Dann würde seine Rache süß sein. Er wollte einen neuen Kerker für sie auf der untersten Kellersohle anlegen. Aber er verwarf den Gedanken gleich wieder. Sein anderer Plan war viel besser. Smith! Er schüttelte sich vor Lachen, als er sich erhob und den Schreibtisch zurückschob.
Er nahm sich viel Zeit, denn er war nicht in der Stimmung, sich zu beeilen. Er drehte den Stein wieder um seine schwingende Achse, aber dann zögerte er und stieg die Treppe nicht gleich hinunter. Er versuchte erst, sich über Valerie Howett klar zu werden. Was war das Beste? Sollte Smith sie mit sich nehmen? Aber er traute Smith nicht recht. Konnte er sich darauf verlassen, daß er der Tochter von Elaine Held das Leben zur Hölle machte?
Er nahm das Tablett mit den Schüsseln, stieg in die Dunkelheit hinab, steckte das Gaslicht an und öffnete die Türe. Als er das Tablett auf den Tisch stellte, rief er die Frau bei Namen. Er ging direkt in ihr Schlafzimmer und stieß die Tür auf.
»Hier ist dein Essen! Antworte mir doch, wenn ich dich rufe!« brüllte er.
Aber nur das Echo seiner Stimme kam zurück.
»Elaine!« rief er.
Hatte sie seinen Rat befolgt? War sie tot? War sie ihrer Gefangenschaft entronnen? Hatte sie die Gashähne aufgedreht? – Aber er konnte keinen Gasgeruch wahrnehmen.
Er stieß die Küchentür auf, sie war leer, ebenso der Baderaum. Er eilte wie ein Wahnsinniger von einem Raum zum andern. Er lief um die großen Steinpfeiler des Hauptraums herum, als ob es möglich wäre, daß sie sich hinter ihnen versteckt hielt. Er warf mit einem Fußtritt das Sofa um, dann eilte er zur Türe zurück und schaute hindurch.
»Elaine!« schrie er wild.
Aber sie war nicht mehr da. Die graue Dame war verschwunden!
Wo mochte sie sein? Sie mußte sich doch hier unten in den Räumen aufhalten – es war gar nicht anders möglich! Es gab keinen anderen Ausweg! Die Wände waren aus starkem, massiven Mauerwerk, keine geheimen Türen oder Gänge führten in dieses Gefängnis, obwohl man ihm erzählt hatte, daß es solche in Garre Castle in großer Menge geben sollte. Aber er hatte noch nichts davon gefunden, obgleich er jeden Stein und jede Platte in den Gängen und Räumen untersucht hatte.
Er eilte in ihr Schlafzimmer und zog dag Bett von der Wand weg. Vielleicht hatte sie sich dort verborgen, um ihm einen Schrecken einzujagen. Aber auch hier war niemand. Ihre wenigen Kleidungsstücke hingen an zwei Haken an der Wand, die er einst mit großer Mühe dort befestigt hatte.
Er setzte sich verwirrt nieder und vergrub den Kopf in den Händen. Elaine war fort – aber wohin konnte sie entflohen sein? Wie war sie herausgekommen? Es gab doch nur den einen Weg, der durch die Bibliothek führte. Aber selbst wenn sie durch die verriegelte Tür gekommen wäre, hätte sie den Ausweg in die Bibliothek nicht gefunden. Es war unmöglich, daß sie auf diesem Weg entkommen war.
Der Grüne Bogenschütze… immer wieder kehrten seine Gedanken zu ihm zurück. Aber auch er hatte nicht durch den Boden zu ihr kommen
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