EduAction: Wir machen Schule (German Edition)
beseitigen. Als Jenni Leonhard ihre Tutanden in der Nachmittagsbetreuung einer Grundschule besuchte, stellte sie fest: »Die Kinder haben dort Regeln eingeführt, die sie von ihrer Schule kennen, zum Beispiel die erhobene Hand, um für Ruhe zu sorgen. Und sie haben auch neue Zeichen erfunden.«
Es ist auch schon passiert, dass sich jemand mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche im Kindergarten getraut hat vorzulesen. Die Kinder waren total begeistert, und plötzlich haben die sich auch getraut, hier in der Schule vorzulesen.
Shana, 11. Klasse
Unsere Erfahrungen zeigen, dass im Projekt Verantwortung Kreativität, Planungs- und Organisationskompetenz, Kooperations- und Kommunika tionsfähigkeit, Selbstbewusstsein, Mut, Durchhaltevermögen, Verständigung sbereitschaft, die Sensibilisierung der Wahrnehmung von sich selbst und anderen sowie Verantwortungsgefühl gefordert, gefördert und gestärkt werden. Die Jugendlichen erleben neben der Lust an Eigenverantwortlichkeit vor allem die Anerkennung und das in sie gesetzte Vertrauen durchgängig als prägende Erfahrung. Lernen im Projekt Verantwortung heißt, sich einzulassen auf Fremdes, sich einzusetzen, sich auszusetzen und sich auseinanderzusetzen in der persönlichen Begegnung mit Menschen, in der Begegnung mit sich selbst.
Das Projekt Verantwortung ist ein Win-win-win-win-Projekt.
Für die Jugendlichen bedeutet das Projekt Verantwortung Kompetenzentwicklung, Lernmotivation und positive Identifikation mit Schule und Gemeinde. Die begleitenden Lehrer erfahren durch das Projekt Professionalisierung in der Arbeit mit externen Partnern und können Netzwerke mit vielfältigen Synergieeffekten und Erfahrungen mit projektorientierter, kooperativer Kultur bilden. Für die Kommune sind verantwortliche und aktive Bürger, Beteiligung und soziale Kohäsion der Gewinn. Generell erhält das Projekt und damit die Schule hohe Anerkennung durch Eltern und die Öffentlichkeit.
Es gibt inzwischen viele Schulen, die, angeregt und ermutigt durch uns, Ähnliches tun – in Berlin und in anderen Städten. Nach einem Workshop beim Bildungstag in Aachen bekamen unsere Schüler eine E-Mail von Heike Luckhard, einer Lehrerin an der Gesamtschule Aachen-Brand: »Ich finde dieses Projekt Verantwortung so gut, dass ich schon meinen Chef und eine Mutter meiner Klasse überzeugen konnte, es auch bei uns – in meiner Klasse – zu versuchen«, schrieb sie und stellte unseren Schülern einige Fragen zur praktischen Umsetzung. Shana, 9. Klasse, antwortete darauf: »Liebe Schüler /- innen, dieses Projekt ist eine große Chance, eure Stärken zu nutzen, zu zeigen und dafür viel Anerkennung und Respekt zu bekommen und an euren Schwächen zu arbeiten, ohne dass ihr dabei nach dem strengen Leistungssystem bewertet werdet. Seid offen, flexibel, fantasievoll, ideenreich und habt Mut, mit kleinen Schritten raus in die so vielfältige und bunte Welt zu gehen und Verantwortung zu übernehmen. Das Projekt wird nicht von Anfang an perfekt strukturiert sein, und es wird noch viele Hindernisse geben. Deswegen ist es wichtig, dass ihr euch gegenseitig unterstützt und weitermacht, auch wenn es mal nicht so einfach ist. Verantwortung ist nicht nur eine große Last, sondern es kann auch wahnsinnig viel Spaß machen, wenn man seine eigenen Ideen mit einbringt oder auch andere um Rat fragt, wenn es mal nicht so gut läuft. Ich wünsche euch ganz viel Spaß und spannende, neue und lehrreiche Erlebnisse.«
Kurze Zeit nach dem Bildungstag startete Heike Luckhard das Projekt in ihrer eigenen Klasse, bald wollte auch die Parallelklasse einsteigen. Das Echo aus der Gemeinde war sehr positiv, und zum Schuljahresende erhielten 60 stolze Teilnehmer Zertifikate vom Schulleiter. Das Projekt war zunächst im Fach Religion angesiedelt, im neuen Schuljahr ist es auf praktische Philosophie ausgedehnt, wodurch Schüler aller sechs Klassen des 10. Jahrgangs teilnehmen können. Das Interesse bei den Jugendlichen ist sehr groß, auch viele Kollegen finden das Projekt gut und sind grundsätzlich dafür, es ins Schulprogramm aufzunehmen. Viele schrecken allerdings vor den Belastungen der Betreuung zurück, denn die Schüler sind nicht nur im Zeitrahmen der Schulstunde tätig, sondern teilweise auch abends oder am Wochenende. »Anders als in der esbz haben wir (noch) einen festen Stundenplan mit dem üblichem Fächerkanon, und daher muss der feste Platz für das Projekt noch gefunden werden«, sagt die
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