Effington 06 - Verborgene Verheissung
meine Mutter die Hand im Spiel hatte. Die meisten der zufälligen Gäste heute Nachmittag sind Freunde von ihr.« Er führte Gwen an den Rand der Terrasse, wo Stufen in eine Gartenanlage führten. »Schau dich nicht um.«
»Warum? Folgt uns jemand?«
»Nur mit den Augen.« Er warf einen Blick auf das Haus. »Dort sind unzählige Menschen, meine Mutter an der Spitze, die uns heimlich vom Salonfenster aus beobachten.«
»Tatsächlich?« Sie widerstand dem Drang, sich selbst zu überzeugen. »Warum?«
Einer seiner Mundwinkel verzog sich leicht nach oben, und im selben Moment kannte sie die Antwort. Ihr wurde heiß im Gesicht. »Himmel!«
»Allerdings«, seine Hand griff nach ihrer Hand, »ist dieser Garten nicht sehr groß, aber so angelegt, dass Menschen, die ungestört sein möchten, lediglich diese Stufen hinabgehen und dem Pfad entlang der Mauer folgen müssen. Am Ende findet man sich an einer abgeschiedenen Stelle, die von marmornen Wächtern geschützt wird. Sehr nützlich für intime Stelldicheins beispielsweise auf Bällen oder Soireen.«
»Und das weißt du aus eigener Erfahrung?«
Sein Grinsen sprach Bände und war sehr provozierend.
»Wir wollen also ungestört sein, mein Herr?« Es lag ein Hauch von Koketterie in ihrer Stimme.
»Ganz genau«, gab er ohne Zögern zu und ging die Stufen hinunter, seine Finger fest mit den ihren verflochten. Sie konnte nicht anders, als ihm zu folgen. Sie wollte auch gar nicht anders. »Wir haben sehr viel zu bereden.«
»Ich verstehe. Wir wollen also nur ungestört sein, um uns zu unterhalten.«
Er überhörte die Frage. »Hast du bemerkt, dass nur wenige unserer Gäste von der Hochzeit überrascht waren?«
»Schlechte Schauspieler, einer wie der andere.« Er runzelte nachdenklich die Stirn. »Wahrscheinlich hat es keinerlei Bedeutung, aber erst vor weniger als einer Woche haben wir von diesem Arrangement erfahren, und erst vor zwei Tagen hast du in die Hochzeit eingewilligt. Und dennoch sind Mutters Bekannte kaum erstaunt über unsere plötzliche und unerwartete Eheschließung.«
Sie hatten den Fuß der Stufen erreicht. »Spielt das eine Rolle?«
»Wahrscheinlich nicht.« Er folgte dem Pfad, bis er sich von der Mauer abwandte und in einer kreisrunden Nische unter einem Dach aus zurechtgestutzten Hecken endete.
Eine Steinbank stand versteckt hinter den lebensgroßen Marmorstatuen dreier Frauen mit ineinander verschlungenen Armen. Sie ruhten auf einem ovalen Sockel, einen Meter über der Erde. Die Anordnung war wunderschön, im klassischen Stil der Antike. Gwen schaute nach oben in die dezent auf den Boden blickenden Gesichter des Trios und fragte sich, was die drei Musen oder Grazien wohl von dem Treiben zu ihren Füßen halten mochten.
»Hier ist man aber wahrlich ungestört«, murmelte Gwen und warf einen Blick hinter die Statuen. Zwei Menschen konnten sich leicht dahinter verstecken und unbeobachtet auf der Bank verweilen.
»Stört es dich?« Marcus lächelte. »Hier allein zu sein? Mit mir?«
»Überhaupt nicht.« Sie entzog ihm ihre Hand und trat auf die Skulptur zu, als wolle sie unbedingt das Kunstwerk betrachten, als hätte sie überhaupt nicht das Bedürfnis, Abstand zwischen sich und ihm zu wahren. Als spürte sie nicht jeden seiner Atemzüge auf ihrer Haut. »Ich vermute mal, wir werden in Zukunft viel Zeit allein miteinander verbringen.« Ihre Stimme blieb reserviert, doch sie fühlte ein merkwürdiges Flattern in der Magengegend.
»Zweifellos.« Er trat ebenfalls näher, als wolle auch er die Marmordamen studieren. War sein Interesse genauso vorgetäuscht wie das ihre? »Gefällt es dir?«
Sie erstarrte. »Mit dir allein zu sein?«
»Ich meinte das Kunstwerk«, entgegnete er leichthin.
Immerhin war er so anständig, sie nicht anzusehen oder auch nur den Mund zu verziehen. Ihre Wangen brannten, und sie war ihm dankbar für seine Höflichkeit. Er zog nachdenklich die Brauen zusammen. »Was meinst du?«
»Es ist natürlich wunderbar.« Sie ließ die Finger über die gemeißelten Falten der Gewänder wandern. Sie fühlten sich kühl und geschmeidig an, gleichzeitig seltsam warm von seiner vorherigen Berührung. »Ist es original? Ich meine, aus dem antiken Rom?«
»Ich bezweifle es, aber es könnte sein.« Marcus zuckte die Achseln. »Es steht hier, solange ich denken kann.«
»Und du bist schon fast dreißig. Das ist wirklich antik.« Wieder war sie überrascht über ihren neckischen Tonfall. Was war nur los mit ihr? Sie hatte doch fest
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