Effington 06 - Verborgene Verheissung
dann gab es wieder diese Momente, in denen er sich hinter einer amüsierten und unnahbaren Fassade zurückzog. Natürlich verhielt auch Gwen sich in der Öffentlichkeit völlig anders als privat.
»Ich sollte dich warnen, Gwendolyn, Söhne wachsen auf und gehen dann ihrer Wege, ohne sich um deine Wünsche oder Ratschläge zu kümmern. Töchter aber, so wurde mir erzählt, bleiben immer Töchter.« Sie drückte liebevoll Gwens Arm. »Und ich freue mich so, nun eine zu haben.«
»Ich freue mich auch sehr.« Gwen zwang sich zu einem freundlichen Lächeln und wünschte, sie würde sich nicht so unbeholfen fühlen. Doch außer Madame und Colette hatte ihr noch nie jemand so freimütig seine Zuneigung angeboten. Zuneigung, die keine Gegenleistung forderte. Es war äußerst beunruhigend.
Marcus' Mutter beobachtete sie eingehend und lächelte wie ihr Sohn. »Oje. Ich stelle fest, dass du viel mit meinem Sohn gemein hast. Ihr seid wahrlich ein interessantes Paar.«
»Ich habe keine Ahnung, was du ihr gerade erzählst, Mutter, aber ich bin sicher, dass es mir nicht gefällt.« Marcus erschien an Gwens Seite. »Aber ich würde meine Braut«, das Wort kam ihm leicht über die Lippen, so als hätte er geübt, »gerne für einen Augenblick entführen, wenn du nichts dagegen hast.«
»Marcus«, tadelte Lady Pennington. »Es gibt hier viele Menschen, die sie kennen lernen möchten. Sie ist nun immerhin die neue Countess of Pennington.«
»Sie ist aber nun in erster Linie meine Frau«, erwiderte Marcus bestimmt und nahm Gwen am Arm. »Man sagte mir, der Garten stehe in voller Blüte, und ich würde ihn dir gerne zeigen.« Er steuerte auf die Tür zu.
»Er ist herrlich, aber du hast dich doch noch nie für den Garten interessiert. Ich sehe nicht ein ...«, rief seine Mutter hinter ihnen her. »Behalt sie nicht zu lange für dich.«
»Aber niemals«, gab Marcus mit leiser Stimme ironisch zurück.
Er führte Gwen aus dem Salon, durch eine riesige Halle und durch eine Galerie, in der Portraits der vorangegangenen Earls of Pennington aufgereiht hingen. Schließlich kamen sie in eine Art Wintergarten. Gwen hatte jegliche Orientierung verloren, während Marcus in einem Tempo vor ihr herlief, das jegliche Unterhaltung unmöglich machte.
»Willst du mir wirklich den Garten zeigen?« Gwen konnte kaum mit ihm Schritt halten.
»Aber natürlich«, antwortete er abwesend und zog sie weiter. »Er ist herrlich.«
»Zumindest hat man dir das erzählt.« Sie versuchte, neben ihm herzulaufen. »Du wirkst nicht gerade wie ein Mann, der die Natur zu schätzen weiß.«
»Ich weiß die Natur sehr zu schätzen.« Sein Ton war genauso forsch wie sein Schritt. »Ich bin sehr gerne im Freien.«
»Ich auch.« Sie keuchte.
»Ich kann viel freier atmen, wenn ich über mir den Himmel und unter mir die Erde fühle. In Wirklichkeit ziehe ich sogar das Landleben vor, wenn ich auch einen großen Teil meiner Zeit in der Stadt verbringe. Magst du ...« Er sah zu ihr hinunter und blieb so abrupt stehen, dass sie ihn beinahe umgerannt hätte. »Bist du in Ordnung?«
»Ja, aber das habe ich nicht dir zu verdanken.« Sie funkelte ihn an. »Freier zu atmen mag dir ja ein Bedürfnis sein, aber du kannst mich nicht in halsbrecherischer Geschwindigkeit hinter dir herzerren und dich dann wundern, wenn ich außer Puste bin. Du bist viel größer als ich und kannst schneller ...«
Ohne Vorwarnung fing er an zu lachen.
»Was, bitte schön, ist so lustig?« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Ich kann nichts Unterhaltsames daran finden, durch dein Haus ...«
»Nun auch dein Haus«, grinste er.
»Noch schlimmer.«
»Ich entschuldige mich für meinen Übereifer , der Menge zu entfliehen.«
Ein Lakai trat aus dem Nichts hervor und öffnete eine Tür, die Gwen noch gar nicht bemerkt hatte.
Marcus wies auf den Ausgang. »Ich nahm einfach an, du bräuchtest eine Erholungspause.«
Sie ging an ihm vorbei auf eine breite geflieste Terrasse. Es war sehr aufmerksam von ihm, sich Gedanken um sie zu machen, selbst wenn sie — aus unerfindlichen Gründen — im Moment nicht bereit war, diese Aufmerksamkeit anzuerkennen. Es war einfach so ungemein nett von ihm. »Es war ein großes Gedränge, nicht wahr? Ich gebe zu, ich war etwas überrascht und sogar ...«
»Überwältigt?« Er lächelte ihr wissend zu und hakte sie unter.
»Vielleicht.« Sie sah ihn kühl an. »Ein wenig.«
»Ich gestehe, dass ich selbst mehr als ein wenig überwältigt war. Ich vermute, dass
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