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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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ich.
    » Eine Bagatelle «, sagt sie. » Ein Kratzer am Arm. Er bekam Wundbrand. «
    Ich verstehe nicht.
    » Er ist doch … abgestürzt «, sage ich.
    Sie sieht mich an, runzelt die Stirn. Dann versteht sie.
    » Ach, dein Vater? « Allein der Blick verrät ihre emotionale Betroffenheit. » Da gibt es nichts zu wissen «, sagt sie verbissen.
    Ich bleibe regungslos stehen. » Aber Grethe … «
    » Nichts! «, bellt sie. Die Anstrengung zwingt sie, wieder zu husten. Eine lange Minute vergeht. » Nichts «, wiederholt sie leise, jetzt weicher. » Nichts, das du wissen müsstest. «
    2
    ICH BRAUCHE ZWöLF MINUTEN, um zum Domus Theologica hochzufahren. Was sich anhört wie ein südländi sches Einkaufsparadies, ist nichts anderes als der aufgeblasene Name der Theologischen Fakultät im Blindernvei. Ich kenne einen Dozenten am Lehrstuhl für Hebräisch, der mir, wie ich glaube, weiterhelfen kann.
    Gert Vikerslåtten ist fast zwei Meter groß und klapperdürr, sodass es den Anschein macht, als müsse er sich ständig darauf konzentrieren, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Wie ein Watvogel. Er hat unreine Haut und einen Vollbart, der aussieht, als sei er irgendwie an Ohren und Kinn zu straf f b efestigt worden. Alles an ihm –die Finger, Arme, Nase, Zähne –erscheint etwas zu lang und ungelenk.
    Wir verwenden ein paar Minuten darauf, uns an alte Studienzeiten zu erinnern. Reden über gemeinsame Bekannte, unfähige Dozenten, Kommilitoninnen, von denen wir geträumt, die wir aber nie bekommen haben. Gert lebt wie ich allein. Wie ich überdeckt er seine kleinen Neurosen mit einer Patina aus akademischer Arroganz.
    Er fragt mich, warum ich gekommen bin. Ich sage ihm, dass ich auf der Jagd nach allem bin, was mir Informationen über die so genannte Logienquelle Q geben kann.
    Seine Augen leben auf. Der Adamsapfel kommt in Fahrt. Nichts erfreut einen Experten mehr, als brillieren zu können.
    » Q? Oh yes baby! Ein Manuskript, das es nicht gibt! «
    » Aber das es einmal gegeben haben muss? «, ergänze ich.
    » Das glauben auf jeden Fall einige. «
    » Du auch? «
    » Definitiv. « Er breitet seine langen Arme aus, und ich fürchte, er könne die Wände seines schmalen Büros zum Einsturz bringen.
    » Obwohl niemand auch nur einen einzigen Buchstaben davon zu Gesicht bekommen hat? «
    » Q ist wie ein großes, schwarzes Loch «, sagt er und formt mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. » Nicht einmal mit den stärksten Teleskopen bekommst du da etwas zu Gesicht. Aber an der Art, wie sich die anderen Himmelskörper bewegen, kannst du erkennen, dass es da ist. «
    » Genau wie du weißt, dass sich auf der Unterseite eines Papiers mit Metallsplittern ein Magnet befindet «, fantasiere ich weiter. Er nickt, und ich fahre fort: » Das Einzige, was ich über Q weiß, ist, dass es auf Griechisch geschrieben worden sein soll. Und dass sich darin viele Äußerungen von Jesus finden sollen, in Zitatform, so wie sie später bei Lukas und Mat thäus wiedergegeben worden sind. Und dass man diesen Text für eine der Quellen der Bibel hält. «
    » Dann weißt du das Wesentliche. «
    » Aber dann sag mir – warum spielt es so eine große Rolle, ob es existiert hat oder nicht? «
    » Wissen. Verständnis. « Er zieht die Schultern hoch. » So gesehen spielt es auch keine Rolle, dass die Archäologen das Gokstadschiff gefunden haben. Aber es ist doch trotzdem gut, oder? «
    » Würde diese Quelle, wenn man sie fände, in der Praxis einen Unterschied machen? «
    » Natürlich! «
    » Aber warum? Wie? «
    » Weil Q unser Verständnis und unsere Deutung der biblischen Texte ändern könnte. Du weißt doch selbst, wie das Christentum unseren Alltag beeinflusst. Jeden einzelnen Tag. Als Basis unserer Kultur. Durch Gesetze und Regeln. Unser Menschenbild. Alles hängt davon ab. «
    » Das verstehe ich. Und du meinst, Q könnte das alles ändern? «
    » Q kann uns helfen, mehr über das Zustandekommen des Neuen Testaments zu verstehen. Und damit auch über dessen Deutung. Der frühchristliche Theologe Origenes hat festgehalten, dass man die Worte der Bibel nicht wörtlich nehmen dürfe, wie es viele in der heutigen Zeit tun, sondern als Zeichen und Bilder von etwas anderem, größerem. Man muss die Bibel in ihrer Ganzheit verstehen. Wenn die Bibel von einem Berg spricht, von dem aus man die ganze Welt sehen kann, ist das ja nicht wörtlich gemeint! Auch wenn einige darauf bestehen, jedes Wort für bare Münze zu nehmen. «
    » Wie alt ist das?

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