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Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition)

Titel: Ego: Das Spiel des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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»unvorhergesehenen Ereignissen«, dem berühmten »Schwarzen Schwan«. Nichts ist falscher. Die Immobilienblase war, wie Nate Silver zeigt, alles andere als ein Schwarzer Schwan; sie war, in den Worten Paul Krugmans, »ein Elefant im Zimmer«. Was aber noch viel entscheidender war: Jeder spürte, dass die Dinge schiefgehen würden.
    2007 platzte die Immobilienblase. »Google-Suchanfragen zum Begriff ›Immobilienblase‹«, schreibt Nate Silver, »verzehnfachten sich zwischen Januar 2004 und Sommer 2005. Am meisten Interesse gab es für diesen Suchbegriff in Staaten wie zum Beispiel Kalifornien, die den größten Anstieg bei Immobilienpreisen erlebt hatten … Das Wort ›Immobilienblase‹ wurde 2001 acht Mal in Medien erwähnt und erreichte 2005 bereits 3 447 Nennungen. Die Immobilienblase wurde ungefähr 10 Mal am Tag in angesehenen Zeitschriften und Zeitungen diskutiert.« Wohlgemerkt: drei Jahre vor dem »überraschenden« Ereignis. 190
    Die Antwort auf dieses Rätsel lautet, dass es nicht an »Wissen« oder »Information« mangelte. Sie wurden nur falsch eingesetzt. Nämlich als Waffen für die Geschäfte von Nummer 2, der in allen Systemen operiert.
    Moodys Profit hatte sich in dem Jahrzehnt von 1997 bis 2007 ausschließlich aufgrund von Derivat-Produkten um 800 Prozent erhöht.
    Risiko, lautete die von Frank H. Knight im Jahre 1921 formulierte Formel, ist etwas, an das man ein Preisetikett kleben kann. Risiko, sagten die Pokerspieler der RAND -Corporation, ist etwas, was man reduzieren kann, wenn man den Gegenspieler auf sein egoistisches Überlebensinteresse festnagelt. Risiko, sagten die Moody-Leute, ist etwas, für das der Preis so hochgetrieben werden muss, dass niemand es sich leisten kann, die Bombe platzen zu lassen.

22 Unterwerfung
    Der Mensch ist alles, was er will,
und wir wissen, was er will
    W ir haben in unserer Erzählung bislang gesehen, wie Nummer 2 groß und stark wurde und wie er alles tat, um für uns unsere Identität, unser Präferenzen, Leidenschaften und Wünsche zu verwalten. Ein strategisches Meisterstück eines mentalen Imperialismus, des einzigen, der noch zählt in einer Informations-Ökonomie, die die »Unterwerfung der Materie« feiert.
    Doch es gab ein Problem, das Nummer 2 in seiner ätherischen Luftigkeit allein nicht lösen konnte. Dort, wo man ihn einpflanzte, in den Kopf des Menschen, saß schon jemand. Manche nannten es das Ich, andere das Selbst.
    Zwar hatten insbesondere die sogenannten postmodernen Philosophen schon einiges dafür getan, die Festung sturmreif zu schießen, aber das Ich war ziemlich hartnäckig. Es wollte Dinge, die mit Identität zu tun haben: langfristige Arbeitsverträge zum Beispiel oder abends nach Hause gehen, wie Generationen von Menschen, und sagen können, dass man seine Arbeitskraft, aber nicht seine Seele verkauft hat.
    So wie Ellen Ullman, eine Programmiererin, die in den Neunzigerjahren begeistert im Silicon Valley zu arbeiten begann und all dies erlebt hat: die Utopie der Kooperation, das neue Denken, die Vorstellung, am Aufbau einer neuen Welt mitzuwirken. Sie ist eine der wenigen ersten Exemplare des digitalen homo nuovo, die von ihren Stunden und Jahren mit und im Inneren der großen Maschine Silicon Valley berichtet haben.
    Ihr Buch ist eine Art »Aufschrei«, wie ein Kritiker schrieb, »eines Körpers, der in einer Maschine verschwindet«. Es ist ein ziemlich atemberaubendes Zeugnis einer Frau, die wie viele ihrer Generation im kurzen Sommer eines wahrhaft freien Netzes glaubte, »wir könnten die Maschine in Stücke hauen und eine bessere bauen«, um sich dann ganz tief im »großen Motor des Marktes« wiederzufinden.
    »Ich wollte mir einreden, dass Computer neutral sind, ein Werkzeug wie jedes andere, ein Hammer, der ein Haus bauen oder einen Schädel zertrümmern kann. Aber da ist irgendetwas im System selbst, in der formalen Logik von Daten und Program men, das die Welt neu erschafft nach seinem eigenen Bilde … Es ist so, als würden wir das Schachspiel zur höchsten Ordnung der menschlichen Existenz erklären.« 191
    Genau das aber ist geschehen. Nicht durch den Computer selbst, sondern durch den Zugriff der Informationsökonomie. Ullmans Empfinden ist nicht, wie vielleicht mittlerweile deutlich geworden ist, irgendein Nebeneffekt einer Technologie, die wir einfach noch immer nicht richtig zu bedienen wissen. Wer wäre perfekter vorbereitet gewesen als eine Informatikerin wie Ellen Ullman? Es ist vielmehr die logische

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