Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
man es aus der Höhe eines Wetterballons hatte fallen lassen; das Dach fehlte, die Wand nach Osten ebenfalls, und die anderen Wände stürzten gerade vor Loesers Augen ein. Das Publikum von Der Weihnachts-Teleportationsunfall , das sich vor dem Theatereingang versammelt hatte, lief in Panik auseinander und wurde dabei von einer dichten Staubwolke verfolgt, die sich in alle Richtungen ausbreitete. Dahinter konnte Loeser nur noch ein oranges Leuchten ausmachen, ein Feuer vielleicht, das sich gerade durch die samtenen Sitzbezüge fraß, ein Backofen, dem er den Braten gestohlen hatte. Tentakel waren nicht zu sehen. Loeser blickte auf die Uhr: Es war halb neun. Im Stück war das ungefähr der Zeitpunkt der Zerstörung des Théâtre des Encornets. Bailey musste seinen »neuartigen Bühneneffekt«, ebenso wie seine Teleportationsvorrichtung, an eine Zeitschaltung gehängt haben. Er ging zurück ins Labor. Adele war mit Zeitverzögerung in Ohnmacht gefallen.
Nachdem er auf dem ganzen Weg ins kleine Krankenhaus von Pasadena an ihrer Seite geblieben war, beschloss er, direkt nach Hause zu gehen. Stent Mutton hatte ihm gesagt, er solle sich auf dem Campus der Polizei zur Verfügung halten, aber er war sich ganz sicher, dass sie Bailey unmöglich finden konnten, also kam es auf ein paar Stunden nicht an, und was er jetzt wirklich brauchte, war ein solipsistischer Whisky. Aber als er vom Palmetto Drive in seine Straße einbog, sah er in seinem Haus Licht brennen. War Woodkin etwa so effizient, dass er schon den Stinktierbestatter bestellt hatte?
Loeser schloss die Haustür auf. »Hallo?«, sagte er.
»Ach, hallo, Loeser«, sagte Rackenham, der splitternackt in der Mitte des Wohnzimmers stand. »Ich dachte, du kommst erst später nach Hause. Läuft heute Abend nicht dein Stück?«
Loeser schloss die Augen und versuchte sich einzureden, dass es eine Überreaktion wäre, dies für das absolut Schlimmste zu halten, was er zu Hause hätte vorfinden können. Es hätte noch viel schlimmer kommen können. Er hätte zum Beispiel ein Gespenst vorfinden können oder ein Stinktier oder ein riesiges Stinktiergespenst. Oder einen rachedurstigen, auf zyklopenhafte Ausmaße angewachsenen Professor Bailey, der einem riesigen Stinktiergespenst die Sporen gab wie ein grausiger berittener Herold des Fischgottes Dagon; oder gar seine Exfreundin Marlene.
Nein. Es hätte nicht schlimmer kommen können. Rupert Rackenham nackt, das war das Schlimmste. »Was zum Henker hast du hier zu suchen?«, sagte Loeser auf Deutsch.
»Ich kann dir versprechen, für deinen Seelenfrieden ist es viel besser, wenn du das nicht weißt.«
»Ich will es aber wissen.« Er versuchte, Rackenhams Penis nicht anzugucken, aber der schien ungefähr zwei Drittel seines Blickfeldes einzunehmen.
»Na schön, wenn es denn sein muss: Ich war mit Gorges Frau hier. Wir wussten nicht, was das für ein Geruch ist – das würde ich übrigens wirklich zu gern erfahren –, und wir hatten keine Zeit, uns vor ihrem Termin beim Psychiater etwas anderes zu suchen, also fand ich einfach, wir sollten das Beste daraus machen. Im Internat habe ich fünf Jahre lang mit acht anderen Jungen in einem Schlafsaal geschlafen, da kommt mir das hier ziemlich harmlos vor. Aber als wir den Motor gerade hatten warmlaufen lassen, wenn man das so sagen kann, wurde ihr unwohl. Also hat sie sich angezogen und ist gegangen. Ich wollte auch gehen, aber da fiel mir ein, wenn die Verunreinigung in der Luft sich nicht beseitigen lässt, dann komme ich vielleicht nicht wieder her, und ich wollte wenigstens endlich Delia Spragues Nagelschere finden, deshalb bin ich noch hier. Irgendein Familienerbstück, sie nervt mich schon seit Wochen damit. Reiche Frauen gewöhnen sich an, vergesslich zu sein, weil sich alles so schön ersetzen lässt – bis sie dann einmal etwas Unersetzliches verlieren. Ehrlich gesagt, als ich in deine Kiste da geguckt habe, hat mich die Vielzahl und Mannigfaltigkeit der Rejectamente durchaus überrascht. Dass du dich nie gewundert hast, wo das alles herkam!«
»Natürlich habe ich mich gewundert! Mit wie vielen Frauen warst du denn hier?«
»Mit reichlich. Immer wenn du nicht da warst. Zu Hause können sie mich ja kaum empfangen, was? Sind schließlich Millionärsgattinnen. Da würde es beim Personal Gerede geben. Und bis zu mir in Venice Beach braucht man mit dem Auto eine Stunde. Los Angeles ist so zersiedelt. Was glaubst du wohl, warum ich so scharf darauf war, dass du hier
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