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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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und Gehässigkeit war, die Art Rufmord, die für das Opfer bei der Trauerfeier einen geschlossenen Sarg erfordert. Er fand es einigermaßen aufregend, Gegenstand einer Affäre jener Art gewesen zu sein, von der man in den Biografien interessanter Menschen las, und freute sich schon darauf, wie er Rackenham zur Rede stellen würde. Zwei Jahre lang hatte er versucht, alle Welt von Rackenhams miesem Charakter zu überzeugen, hatte aber nie erklären mögen, wie er zu dem Schluss gekommen war. Nun würde er bald einen anständigen Grund für seinen Hass haben, den er erklären konnte, ohne erzählen zu müssen, wie er einst einem kätzchengleichen Mädchen nachgestellt hatte und dabei ins Stolpern gekommen war.
    Auf dem Weg ins Lunis wettete er darauf, dass er dort Drabsfarben treffen würde, der aus irgendeinem Grund immer vorbeizukommen schien; und so geschah es, aber Drabsfarben wirkte wie jedes Mal so abgelenkt, dass Loeser ihn nicht ansprechen mochte, weil er fürchtete, irgendeinen seltenen Akkord zu verscheuchen, den dieser gerade vor dem kompositorischen Zielfernrohr hatte. Drinnen verkrampfte sich das Mädchen an der Kasse bei seinem Anblick sichtlich.
    »Ist es schon da?«, sagte er, wie immer so sehr bemüht, seine Stimme völlig teilnahmslos klingen zu lassen, dass er weit am Lässigen vorbeischlitterte und am Ende eher klang, als verberge er eine grande passion .
    »Ja. Gestern war jemand mit einem Rezensionsexemplar hier.«
    Beim Bezahlen ließ sie ihm das Wechselgeld aus ungefähr 30 Zentimeter Höhe in die Hand fallen, um ihn nicht zufällig zu berühren. Auf dem Weg nach draußen dachte er, dass es ganz nett sei, einmal wirklich genau zu wissen, woran man bei einem Mädchen war. Dann setzte er sich auf eine Bank und fing an, in Der Zauberer von Venedig zu blättern, wobei er den Umschlag mit seinem Knie verdeckte, für den Fall, dass jemand vorbeikam, den er kannte. Zuerst blätterte er betont unbekümmert in dem Buch, obwohl niemand zusah, aber als er auf nicht eine, sondern gleich zwei empörende Stellen stieß, wurden seine Bewegungen unfreiwillig heftig.
    Erster Anlass zur Empörung: geistiger Diebstahl. Der Roman setzte im Jahr 1677 ein, mit der Ankunft des großen venezianischen Bühnenbildners Adriano Lavicini in Paris. Das hätte Loeser schon der Titel verraten können, aber nach Rackenhams ganzem Gerede über die Müßigkeit des historischen Romans im Taxi nach Puppenberg wäre ihm nie eingefallen, dass der Engländer sich aus dem gleichen Stück Fleisch des 17. Jahrhunderts bedienen könnte, das Loeser, Blumstein und Klugweil seit fast drei Jahren zu einem Theaterabend verwursten wollten. (Seit drei Jahren! Einsteins Gleichungen nach verlangsamte sich auf einem Karussell oder Riesenrad die Zeit, der relativistischen Wirkung des winkeligen Momentums wegen. Konnte man deshalb in Berlin, das sich in einem fort drehte und drehte, Spielzeit auf Spielzeit an einem einzigen Stück arbeiten, ohne dass einen jemals ein Unwohlsein dabei befiel, dass man kaum weiterkam?)
    In Rackenhams Travestie verliebte Lavicini sich in eine junge Balletteuse, die er im Théâtre des Encornets kennengelernt hatte und hinter der sich in Wahrheit die rebellische Tochter Ludwigs XIV . verbarg, Prinzessin Anne Elisabeth. Sie wies seine Avancen zurück, weil sie fürchtete, er könnte sie entlarven, also baute er als Ausdruck seiner Liebe die Teleportationsvorrichtung und schmückte die Umbauten im Echsenprinz mit augenzwinkernden kleinen Hinweisen aus, die sie allein entschlüsseln konnte. Im letzten Kapitel, als sie alles zum ersten Mal sah, ließ sie sich schließlich erweichen und täuschte eine Ohnmacht vor, damit sie hinter der Bühne in seine Arme sinken konnte. Während die Aufführung weiterging, schliefen sie auf einem Sofa miteinander, worauf ein eifersüchtiger Bühnenarbeiter die Schalthebel der Teleportationsvorrichtung zerschlug, die (ansonsten verlässliche) Apparatur durchdrehen ließ und so alle drei umbrachte. Rackenham schien damit sagen zu wollen, dass die größte Kunst der Welt oft nur dem Zweck diene, Mädchen rumzukriegen, was irgendwie süß sei, dass der Künstler aber seine moralische Verantwortung nicht aus dem Blick verlieren dürfe, weil sonst das Chaos drohe.
    In der Loeser-Blumstein-Klugweil-Produktion dagegen hätte es derartige glatte Schlagfertigkeiten nicht gegeben, auch keine Liebeshändel. Stattdessen wurde Lavicinis manische Besessenheit mit seiner Teleportationsvorrichtung so stark,

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