Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
Frauenzimmer am Morgen nach der Nacht der Nächte beeindrucken? Rasch in die Küche gelaufen, während sie noch mit wogendem Busen schlummert, und ihr dann aufgetragen, was ich gern ›Eggs Majestique‹ nenne. Das ist je ein Ei in jeder nur erdenklichen Zubereitungsweise auf einem Tablett: ein weich gekochtes Ei, ein hart gekochtes Ei, ein gewendetes Spiegelei, ein normales Spiegelei, ein verlorenes Ei, ein Russisch Ei, ein Solei, ein Ei aus dem Egg Coddler, ein Rührei, ein Omelett aus einem Ei und ein Gläschen Eierlikör gegen den Kater. Jedes Frauenzimmer wird ganz aus dem Häuschen darüber geraten, wie viele Arten Sie kennen, Eier zu kochen. Eiweiß ist gut für die Manneskraft, und nachdem Sie das ›Egg Majestique‹ zustande gebracht haben, werden Sie es wahrscheinlich brauchen, falls Sie wissen, was ich meine.« Das klang in Loesers Ohren ziemlich kennerhaft, aber ganz sicher war er sich nicht.
Seine Freundschaft mit Blimk war von ungewöhnlicher Art. Sie waren nie gemeinsam betrunken oder verkatert gewesen, sie hatten niemanden, über den sie tratschen oder herziehen konnten, und ihre Herkunft war so unterschiedlich, dass sie nicht einmal im Geheimen Konkurrenzgefühle hegten. Mit anderen Worten, sie brachten es auf keinen einzigen der wesentlichen Bestandteile einer Freundschaft, aber im Ergebnis waren sie doch erkennbar Freunde, was für Loeser per definitionem eine Avantgarde-Leistung war, ganz wie Duchamps Urinal. Als er noch im Chateau Marmont gewohnt hatte, war er zuerst wirklich nur aus Langeweile in den Laden gegangen, aber Blimk schien sich über die Gesellschaft zu freuen. Heute saßen sie stundenlang in so undurchdringlichem kameradschaftlichem Schweigen beisammen, dass Kunden oft ein entschuldigendes Gesicht aufsetzten, wenn sie unterbrechen mussten, um ein Buch zu kaufen. Sonntags spielten sie, was Loeser noch immer nicht ganz fassen konnte, zusammen Tennis.
Im April des vergangenen Jahres hatte Blimk erfahren, dass H. P. Lovecraft bei seiner Tante in Providence an Darmkrebs gestorben war. Blimk hatte inzwischen gewissenhaft wie ein anarchistischer Aufwiegler fast alles gesammelt, was von Lovecraft je erschienen war, und mit einer Gruppe von acht oder neun besessenen Lovecraft-Fans postalisch jahrzehntealte Ausgaben von Weird Tales und Astounding Stories getauscht. Loeser las ihm oft eine Geschichte von Anfang bis Ende vor, damit Blimk, der den Blick beim Tippen auf die Tasten hielt, noch eine Abschrift anfertigen konnte, bevor er das Original zurückschicken musste. Einer seiner Brieffreunde war ein Professor für Altphilologie in Harvard, ein anderer saß im Gefängnis von Attica im Staat New York, und wieder ein anderer arbeitete für einen Kongressabgeordneten in Washington; von ihm hatte Blimk zum ersten Mal das Gerücht gehört, der Außenminister sei von der wissenschaftlichen Exaktheit dieser »Geschichten« restlos überzeugt. Loeser kam es so vor, als wäre Lovecrafts Werk auf der Flucht vor der eigenen Unwahrscheinlichkeit. Wie sollte man um Himmels willen die Präsenz uralten Grauens in einem Land erklären, das so jung war wie die Vereinigten Staaten von Amerika? In Neuengland und Rhode Island konnte man Lovecraft das gerade noch durchgehen lassen, aber manchmal hatte Loeser das Gefühl, im sonnigen, modernen Los Angeles hätte der Mann nie Schriftsteller werden können.
Aber natürlich war die Annahme falsch, die Produktion von Gespenstern sei einfach eingestellt worden wie die einer veralteten Art Zündkerze. Gespenster konnten an neuen Orten auftauchen, auf Flughäfen, in Automatenrestaurants, auf Rummelplätzen. Keine Woche nach seinem Einzug in Gorges leer stehenden Bungalow in Pasadena war Loeser sich seines eigenen Gespenstes bewusst geworden. Mitten in der Nacht hatte ihn ein Klopfen und Kratzen über seinem Kopf aus einem Traum von Bleistiften aufgeweckt, laut und wild, als wollte jemand durch die Decke brechen. Angstzitternd zog er sich einen Morgenmantel über, holte eine Taschenlampe aus der Küche und ging auf die Terrasse, um nachzusehen, was auf dem Dach war. Aber da war nichts. Als er wieder im Schlafzimmer war, hatte das Klopfen aufgehört, aber ein paar Stunden darauf, als er sich gerade wieder genug beruhigt hatte, um einzudösen, fing es wieder an, sogar noch lauter. In jener Nacht schlief er auf dem Sofa und hörte nichts als das Rasseln des Kühlschrank-Kompressors. Am Morgen darauf beschloss er, auf Erkundung zu gehen wie immer – da waren ihm die
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