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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edzard Reuter
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des »Arabischen Frühlings« und seines Verlaufs in Libyen lehrreich zu besichtigen gewesen. Die Folgen dauern unverändert bis heute an, weil die Europäer nicht imstande sind, endlich ihr von vielen unmittelbar Beteiligten (leider bisher fälschlich) erwartetes Gewicht auf die Waagschale zu werfen und ernsthaft dazu beizutragen, dass der epochale Wandel in Nordafrika und im Nahen Osten tatsächlich gelingt, anstatt im Sand von Einzelinteressen zu ersticken.
    Ursächlich für diese wahrhaft traurige Entwicklung ist nicht zuletzt das Fehlen einer auch nur im Entferntesten überzeugenden außenpolitischen Konzeption der bisherigen Bundesregierung. Abwarten, Zögern, Warnen, Vorsicht: Niemand wird leugnen, dass solches Verhalten angebracht sein kann, wenn die Gefahr besteht, unbedacht in kriegerische Auseinandersetzungen verstrickt zu werden. Doch genau wie bei der Eurokrise können sie auch auf dem Gebiet der Außenpolitik in keiner Weise das Fehlen einer klaren Vorstellung ersetzen, worauf das eigene Handeln eigentlich am Ende hinauslaufen soll. Mit anderen Worten: Pragmatische Flickschusterei kann zwar hie und da hilfreich sein, über augenblickliche Schwierigkeiten hinwegzutäuschen oder auch gefährliche Fallstricke zu vermeiden – ohne ein dahinter stehendes grundlegendes Konzept können jedoch allenfalls glückliche Umstände einen Scherbenhaufen verhindern.
    Als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush die Gefolgschaft für seinen wahnwitzigen Irak-Feldzug verweigerte, schien es Angela Merkel angebracht, sich in Washington anzubiedern, indem sie der damaligen Bundesregierung deren angeblich mangelnde Bündnistreue vorwarf. Inzwischen selbst in der Regierungsverantwortung stehend, verweigerte sie sich, zusammen mit ihrem famosen Außenminister, dem Beschluss der NATO zur Unterstützung des auf Freiheit und Demokratie zielenden libyschen Aufstands mit dem Argument, dass sich Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen ausschließlich zu Zwecken der Verteidigung an militärischen Interventionen beteiligen dürfe. Für die gesamte Weltöffentlichkeit sichtbar stand jedoch hinter diesem Beschluss nichts anderes als die rein populistische Rücksichtnahme auf eine angenommene Stimmungslage in der eigenen Bevölkerung. Herausgekommen ist dabei, dass Frankreich und Großbritannien frei waren, im Alleingang und ohne Rücksicht auf gemeinsame europäische Interessen ihren eigenen politischen und wirtschaftlichen Vorteil wahrzunehmen.
    Seit diesem nahezu schändlichen Beispiel für nationale deutsche Kurzsichtigkeit ist es im weiteren Verlauf der Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten längst zu einer allseits unterstellten Selbstverständlichkeit geworden, dass von einer gemeinsamen europäischen Politik nirgendwo die Rede sein kann. Das gilt für Ägypten und den Jemen genauso wie für Syrien – von dem israelisch-palästinensischen Thema oder gar dem Iran-Problem ganz zu schweigen (wofür bekanntlich nur der deutsche Großschriftsteller Günter Grass gedichtete Patentantworten bereithält). Offensichtlich gewarnt durch die Erfahrungen in Afghanistan und die einschlägigen Reaktionen in der Öffentlichkeit, ist zudem von der Bundeskanzlerin kaum noch etwas darüber zu hören, wie sich ihre Regierungskoalition eigentlich die Inhalte und Ziele einer gemeinsamen europäischen Politik zur Lösung der Probleme in dieser Region vorstellt. Außenminister Westerwelle hingegen, als Parteichef der FDP früher unübertroffen wortmächtig bei Polemiken jeder Art und Natur, fällt nur noch durch das sich staatsmännisch gebende Gehabe auf, mit bedeutungsvoller Miene alle Beteiligten zur Mäßigung zu mahnen.
    Dabei gibt es genügend Anhaltspunkte dafür, wie differenziert sich die Situation in den betreffenden Ländern entwickelt. Zugleich mangelt es keineswegs an einem breiten Reservoir sachkundiger Beratung, das in allen beteiligten europäischen Ländern zur Verfügung stehen könnte. In Deutschland gilt dies beispielweise für die Stiftung Wissenschaft und Politik mit ihrem zuständigen Bereichsleiter Volker Perthes oder für Journalisten wie den verantwortlichen Zeit -Redakteur Michael Thumann. Sie alle wissen genau, wie groß die Gefahr wäre, in eine ausweglose außenpolitische Falle zu laufen, wollte man die Geschehnisse in Tunesien, Libyen oder Ägypten – oder gar in dem so entsetzlich gestraften Syrien – über einen Kamm scheren und als Ausdruck eines

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