Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
abstruse militärische Abenteuer der USA hereingezogen wurde. In die zumindest aus heutiger Sicht schier hoffnungslos erscheinende Bewältigung der Probleme in Afghanistan hat sie sich hingegen in einer Weise verstricken lassen, die nicht wenigen den Schlaf raubt.
Zaghafte Versuche, den Aufbau wirklich gemeinsamer europäischer Streitkräfte in die Wege zu leiten, hat es durchaus gegeben. Dazu zählte beispielsweise die Einrichtung einer (bis heute bestehenden) gemischt französisch-deutschen Einsatzbrigade. Begleitet wurden solche Versuche freilich von Anbeginn an von einem tiefen amerikanischen Misstrauen, getragen von der Befürchtung, dass auf diese Weise die Leitfunktion der USA im Rahmen der NATO ausgehöhlt werden könnte. Zu ernsthaft ins Gewicht fallenden Lösungen haben die entsprechenden Ansätze daher auch nie geführt. Im Zusammenhang mit der kritischen Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten werden inzwischen die Folgen mehr als deutlich. Ganz besonders gilt dies für die beiden Problemfelder, die mit so viel gefährlichem Sprengstoff aufgeladen sind: das Verhältnis zwischen Israel und den Palästinensern auf der einen, den zu befürchtenden Aufbau eines nuklearen Waffenpotenzials durch den Iran auf der anderen Seite.
Die weltpolitische Bedeutung und das sich daraus herleitende Maß an Verantwortung bedürfen keiner näheren Erläuterung. Sie sind täglich in den Medien nachzuvollziehen. Den wenigsten dürfte hingegen bewusst geworden sein, wie stark unsere amerikanischen Verbündeten inzwischen die Europäer dazu drängen, sich wesentlich intensiver in die Bemühungen einzubringen, das Gefahrenpotenzial der beiden Krisenherde einzudämmen. Das ändert nichts daran, dass auch in dieser Hinsicht mit gezinkten Karten gespielt wird: Nicht zuletzt im Hinblick auf das eigene strategische Interesse an den Ölreserven der Golfstaaten ist man sich bei allen derartigen Mahnungen durchaus bewusst, dass der sich in Lichtjahren berechnende militärische Vorsprung gegenüber den Europäern ohnehin den USA im Konfliktfall immer das letzte Wort sichern wird – mit der Folge, dass man dieselben Europäer drastisch zur Kasse bitten und so auch nur an dem Versuch hindern kann, sich auf wirtschaftlichem Gebiet allzu forsch in jene Bereiche der Erde vorzuwagen, die man den eigenen Interessen vorbehalten möchte. Die Methode ist nun einmal nicht neu, mögliche Rivalen freundschaftlich zu umarmen und dabei vor allem den eigenen Vorteil im Auge zu behalten …
Überraschen sollte dies niemanden. Unverändert gilt die uralte Weisheit, wonach Außenpolitik ausnahmslos immer zugleich auch Interessenpolitik ist. Weit überzeugender noch als an der Situation im Nahen und Mittleren Osten wird die Schlussfolgerung, die sich daraus für uns Europäer ergibt, an der Entwicklung auf dem Balkan deutlich. Sie betrifft keineswegs nur den Kosovo, sondern gilt genauso für die Probleme etwa in Bosnien-Herzegowina oder Montenegro. Dabei handelt es sich ja nicht um irgendwelche Gebiete oder Völker fern hinter dem Horizont. Sie liegen unmittelbar vor unserer Tür. Ein Brand, der dort ausbricht, kann schneller als gedacht unser eigenes Haus anstecken. Im Unterschied zu den Ölstaaten haben unsere amerikanischen Partner in der NATO kaum noch irgendwelche eigenen Interessen in dieser Region. Allein in unserer europäischen Verantwortung liegt es, uns aktiv für die Lösung der einschlägigen Probleme einzusetzen – und im Zweifel bedeutet dies, dafür auch materiell vermeintliche oder wirkliche »Opfer« auf uns zu nehmen. Mit anderen Worten: Weder werden uns die USA dies in Zukunft abnehmen, noch dürfen wir uns auf den Ausweg einlassen, darauf zu vertrauen, dass irgendeines der (jetzigen oder künftigen) Mitgliedsländer der EU daran Interesse haben könnte, die zu erwartenden Lasten allein zu schultern.
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Inhaltlich gewiss grundlegend andersartige, im Ergebnis aber durchaus ähnliche Feststellungen liegen auf der Hand, wenn man an die Herausforderungen auf dem Gebiet der Umwelt- oder der Energiepolitik denkt. Dass sie schon längst nicht mehr an den Grenzen eines einzelnen Landes haltmachen, hat sich inzwischen herumgesprochen. Das ändert nichts daran, dass damit massive wirtschaftliche Interessen einhergehen – und dass nur diejenigen sich ihrer Haut zu erwehren vermögen, die im weltweiten Wettbewerb ausreichend Gewicht auf die Waage bringen. Stichworte wie das Schicksal des Kyoto-Protokolls oder der Rio-Konferenzen der Vereinten
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