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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edzard Reuter
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europäischen Geschichte ins Leben zu rufen. Mit diesem Ziel erinnert er daran, dass die einfachen Bürgerinnen und Bürger überall in den einzelnen Mitgliedsstaaten – er nennt sie »Zivilgesellschaften« – inzwischen dazu neigen, den nach 1945 vorherrschenden »Konsens (der) postautoritären Eliten« über die Zusammenführung ihrer Länder zu einer europäischen Union eher skeptisch zu sehen oder gar infrage zu stellen. Dem hält er entgegen, Jorge Semprún, drei Jahre im KZ Buchenwald eingekerkert und gequält, habe angemahnt, eine weitere Vertiefung der Union »könne existenziell und kulturell nur gelingen, wenn wir unsere Erinnerungen miteinander geteilt und vereinigt haben«. Leggewies Schlussfolgerung lautet, dass »ein europäisches Wir-Gefühl … allein durch die öffentliche Bearbeitung konkurrierender nationaler … Geschichtsnarrative entstehen« könne.
    So sympathisch dies, wie gesagt, auch klingen mag, so sehr ich hoffe, dass in Brüssel tatsächlich ein solches Haus der Geschichte errichtet werden kann, so sehr fürchte ich, dass es naiv wäre, auf die baldige Wirksamkeit derartiger Wundermittel zu hoffen. Ähnliches gilt im Übrigen auch für ein anderes Medium, das heutzutage von manchen unserer bewährten Schnellkommentatoren als eine Art Patentrezept für die Heilung aller unserer gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Probleme angehimmelt wird: das Internet und seine vielfältigen Anwendungsformen. »Facebook« oder seine verwandten Spielarten mögen durchaus in bestimmten aktuellen Situationen als Kommunikations- und damit Meinungsbildungsinstrument zur Förderung begrüßenswerter Vorhaben geeignet sein. Abgesehen davon, dass sie bekanntlich genauso gut für gegenteilige Zwecke – wie die Anprangerung unschuldiger Menschen – missbraucht werden können, wäre es jedoch nichts als eine blauäugige Selbsttäuschung, darauf zu setzen, dass eine fortschreitende europäische Vereinigung ernsthaft mit solchen Instrumenten voranzubringen wäre.
    In einem anderen Sinn haben Claus Leggewie und viele andere Autoren trotzdem Recht, wenn sie als Baumaterial für ein vereintes Europa auf die bitteren Erfahrungen der europäischen Geschichte zählen. Entstanden ist nämlich daraus etwas, was eben doch nicht nur für die »Eliten« zählt. Es geht um eine für uns alle täglich erlebbare Wirklichkeit. Sie ist so greifbar real, dass es nicht schwerfallen kann, der gesamten »Zivilgesellschaft« – also nicht zuletzt der Frau und dem Mann auf der Straße – vor Augen zu führen, wie entscheidend ihr eigenes Leben in jedem Augenblick davon geprägt ist. Gemeint ist das tief in uns verwurzelte Bewusstsein, dass es grundlegende Werte gibt, die ausnahmslos jede und jeden von uns prägen – ob jung oder alt, Österreicher oder Schwedin, arm oder reich, ungelernter Arbeiter oder Hochschulprofessorin. Das schließt nicht aus, dass wir kaum eine Gelegenheit auslassen, darüber zu streiten, was wir jeweils im Einzelnen darunter verstehen wollen, wie unsere Wertvorstellungen auszulegen sind. Meinung und Gegenmeinung, der Streit darüber, Dialektik und Widersprüchlichkeit – das sind eben nachgerade Kerneigenschaften der Europäer. Sie kennzeichnen nicht Schwäche, sondern Stärke, weil sich, ich wiederhole es, dahinter das Geheimnis unserer einzigartigen geistigen Kreativität verbirgt.
    Das mag denjenigen deutlicher bewusst sein, die selbst unmittelbar erfahren mussten, was es bedeutet, wenn die fraglichen Werte nicht gewährleistet oder gar verlorengegangen sind. Aber auch alle anderen, die auf ein glücklicheres Geschick zurückblicken können, ahnen zumindest, worum es sich handelt. Auch wenn man sie gewiss noch weiter auffächern kann, sind es im Grunde genommen nur wenige Überzeugungen, auf die wir ausnahmslos alle bauen: Es sind der hohe Rang der Menschenwürde, die Respektierung der Menschenrechte, die Gleichheit aller Menschen, gleich welcher Abstammung oder welchen Geschlechts, die Toleranz für andere Meinungen, die gesicherte Rechtsstaatlichkeit, die Freiheit des Einzelnen von unrechtmäßiger Bevormundung – es sind die Errungenschaften der Aufklärung.
    »Die Würde des Menschen ist unantastbar … Das deutsche Volk bekennt sich … zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.« So heißt es wörtlich im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Ähnliches steht es auch

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