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Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)

Titel: Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edzard Reuter
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Bände spricht. Es mag dies wohl die Epoche gewesen sein, an deren Ende erstmals der Name Europa in den allgemeinen Sprachgebrauch aufgenommen wurde – doch siehe da: Nur bestimmte Teile Griechenlands zählten dazu, nicht einmal der Peloponnes oder die Ägäischen Inseln. Erst mit den Perserkriegen, mehr als ein halbes Jahrtausend später, wurde es üblich, das ganze griechische Festland als Europa zu bezeichnen – in Unterscheidung von Asien als dem zweiten Kontinent der Erde. Unter anderem hatte das die skurrile Folge, dass die an der kleinasiatischen Westküste beheimateten Griechen trotz aller ihrer fortdauernden kulturellen Gemeinsamkeiten mit den hellenischen Landsleuten nicht zu den Europäern gezählt wurden. Man bezeichnete sie vielmehr als »Barbaren«, weil sie einen mit dem Karischen (der Sprache der dort ansässigen anatolischen Urbevölkerung) vermischten Dialekt sprachen, den die Bürger der Metropoleis (nicht anders als heutzutage viele von uns das Sächsische oder Schwäbische) hochnäsig als eine Art Kauderwelsch verlachten.
    Das sollte sich fortsetzen, als die klassische griechische Kultur im Römischen Reich aufging. Weite Teile Anatoliens (nicht von ungefähr »Kleinasien« genannt) zählten über Jahrhunderte hinweg zu den hoch geschätzten Teilregionen des Reichsgebiets. Orient und Okzident flossen zunehmend ineinander. Weder der Möchtegern-Alleinherrscher Julius Cäsar noch sein Teilnachfolger Mark Anton machten sich durch ihre spektakuläre Liaison mit der ägyptischen Herrscherin Kleopatra etwa des Landesverrats schuldig. Politisch, kulturell und wirtschaftlich waren die eigentlichen Reichsgebiete im Osten und Süden ohnehin durchaus wichtiger als die meisten Gebiete im Norden oder Westen. Soweit sie nicht das römische Bürgerrecht besaßen und damit nicht in der überkommenen griechisch-römischen Kultur zu Hause waren, galten freilich deren Bewohnerinnen und Bewohner trotzdem allesamt wiederum als »Barbaren«.
    Ähnliches sollte sich nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs und seinem Auseinanderfallen in den westlichen und den östlichen Teil, wenn auch in anderer Form, wiederholen. Mit einem Mal wurde »Europa« eingeengt auf den Herrschaftsbereich der römisch-katholischen Kirche. Die oströmische Reichshälfte mit dem Gebiet der griechisch-orthodoxen Kirche und ihrem Zentrum in Byzanz hingegen galt, ebenso wie das ab etwa 600 n. Chr. aufkommende islamische Gebiet, fortan als außereuropäisch, als kulturell »fremd«. Das scheint bis heute so geblieben zu sein, zumindest spielt es im Unterbewusstsein vieler Menschen, die in den westlichen Ländern unseres Kontinentzipfels zu Hause sind, offensichtlich immer noch eine Rolle.
    Andererseits trifft es gleichfalls zu, dass sich über die nun folgenden Jahrhunderte hinweg immer stärker das zumindest unterschwellige Bewusstsein jener bereits angesprochenen gemeinsamen Identität entwickelte. Zumindest die Angehörigen der jeweiligen gebildeten Oberschicht spürten, dass sie über die Grenzen der weltlichen Herrschaftsbereiche hinaus – und davon gab es unzählige – doch durch eine gemeinsame europäische Geschichte und Kultur irgendwie miteinander verbunden waren. In dieser Richtung änderte die bereits in der Nachfolge von Karl dem Großen entstandene Aufspaltung in machtvolle staatliche Gebilde, geprägt vor allem durch die politische, wirtschaftliche, militärische und kulturelle Erstarkung Frankreichs (ebenso wie später auch Portugals, Spaniens und Englands), über eine lang andauernde Wegstrecke hinweg kaum etwas daran, dass das weiter bestehende Heilige Römische Reich als ein – zwar nicht machtpolitisches, aber doch ideelles – Dachgebilde über ein solches gemeinsames Europa empfunden und anerkannt wurde. Die römischen, durch den Papst gesalbten Kaiser empfanden sich folglich in diesem Sinne stets als Herrscher eines gesamteuropäischen Reichs – und führten diese Bezeichnung auch in ihrem offiziellen Titel, jedenfalls so lange, bis nach dem Tod des Habsburgers Maximilian I. (des »edlen Ritters«) und der Wahl von Karl V. zu seinem Nachfolger um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit endgültig erstarb. Dennoch blieb das Gefühl einer durch die gemeinsame Religion geprägten Identität auch danach weiter lebendig – bis schließlich der Siegeszug der Reformation auf der einen, die Eroberung der Weltmeere und die Entdeckung der überseeischen Teile der Erde in Asien und

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