Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
Einzelmitgliedern eines Verbunds mehrerer weiter bestehender Staaten. In den USA ist er im Wesentlichen schon im Verlauf des 19. Jahrhunderts, wenn auch erst nach jahrzehntelangen und für den Zusammenhalt der Union äußerst gefährlichen Auseinandersetzungen, grundlegend geklärt und entschieden worden. An dem Disput zwischen Bundesregierung und Bundestag auf der einen, den Länderregierungen und ihren Parlamenten auf der anderen Seite über die Finanzierung so lebenswichtiger Ausgabenkomplexe wie etwa der Bildungspolitik lässt sich hingegen bis heute täglich ablesen, welcher Sprengstoff für eine gemeinsame europäische Zukunft auf diesem Gebiet noch verborgen liegt.
Fast verzweifelt kommen einem da manche der vorgeschlagenen Lösungsversuche vor. Zum Beispiel gibt man sich hie und da der Hoffnung hin, dass man der EU die schon jetzt mehr als dringend benötigten finanziellen Spielräume durch Einführung der ominösen »Finanztransaktionssteuer« (früher nach ihrem geistigen Urheber allgemein »Tobin-Steuer« genannt) verschaffen könne. Doch nicht zuletzt der deutsche Finanzminister, der ebenso verdienstvoll wie beherzt darum zu kämpfen pflegt, ist damit bisher regelmäßig am eifersüchtigen Widerstand von Mitgliedsländern wie Großbritannien, den Niederlanden und Schweden gescheitert, die um ihre eigenen Steuereinnahmen aus der Tätigkeit der bei ihnen angesiedelten Finanzinstitute fürchten. Zwar könnte eine solche (inzwischen im Alleingang in Frankreich eingeführte) Steuer, würde sie wirklich konsequent umgesetzt und angewandt, tatsächlich einen nicht unbedeutenden ersten Grundstock für einen eigenständigen Haushalt der EU bilden. Auch dann wäre freilich ein nennenswerter weiterer Schritt unausweichlich – und realistisch käme dafür nur ein Anteil an der in den Mitgliedsländern anfallenden Mehrwertsteuer infrage. Dabei bedarf es keiner übertriebenen Fantasie, sich das Ausmaß der Widerstände vorzustellen, hält man sich nur vor Augen, von welchem Streit die Aufteilung dieser Steuereinnahmen zwischen den deutschen Ländern und der Bundesregierung seit jeher begleitet wird. Umso deutlicher wird, wie mutig die politische Führungskunst sein muss, die gefragt ist, wenn ernsthafte weitere Fortschritte hin zur europäischen Vereinigung gelingen sollen.
Hinzu kommt, dass selbst solche grundlegenden Schritte zur Stärkung der eigenständigen politischen Handlungsfähigkeit der Union für die Katz sein werden, wenn nicht eine zusätzliche Weichenstellung hinzukommt: ein für alle verbindlicher, an strenge Auflagen zur Haushaltsdisziplin gebundener, bei deren Einhaltung aber auch einzuklagender Finanzausgleich zwischen den Mitgliedsländern. Dazu zählen Instrumente nach Art der schon erwähnten Eurobonds. Deren längst überfällige Einführung ist, wie gesagt, lange genug am erbitterten Widerstand der deutschen Bundesregierung gescheitert. Dabei geht es längst nicht mehr nur um das Überleben des Euro als gemeinschaftlichen Währungssystems, sondern schlichtweg um den Kerngedanken einer politischen Union.
Um dies zu verstehen, genügt es, sich ganz einfach zu fragen, ob – jedenfalls auf die Dauer – ein gemeinsames politisches Handeln überhaupt denkbar sein kann, wenn die einzelnen Mitglieder für die Beschaffung der dafür benötigten Mittel unterschiedliche Zinsen aufzubringen hätten. Weil dies nicht der Fall sein kann, wird eine gemeinsame Mittelaufnahme, etwa durch die Auflegung staatlicher Anleihen, unvermeidlich sein. Unter der entschlossenen Führung ihres Präsidenten Mario Draghi hat die Europäische Zentralbank im letzten Herbst einen ersten mutigen Schritt in diese Richtung gewagt – mutig, weil sie damit ihre gesetzlichen Befugnisse zumindest bis zum Rand ausgeschöpft hat. Trotzdem wird kein Weg daran vorbeiführen, dass sich Deutschland künftig an den höheren Zinslasten beteiligen muss, die dadurch entstehen, dass solche Gemeinschaftsanleihen zwangsläufig teurer sein werden als eine Kreditaufnahme für die alleinigen Zwecke der Bundesrepublik. Nicht minder beschwerlich, doch nicht weniger unausweichlich ist im Übrigen auch die ins Auge gefasste (gern als »Bankenunion« bezeichnete) Einrichtung eines gemeinsamen Sicherungsfonds für die wichtigsten europäischen Banken, durch den sichergestellt wird, dass die Rettung dieser Institute vor dem Bankrott in Zukunft von ihnen selbst finanziert wird, also nicht mehr zulasten der beteiligten staatlichen Instanzen – und damit
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