Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
allerdings trotzdem Recht zu geben. Denn natürlich zielt sein Vorschlag zugleich darauf ab, dass es sich bei dem Chef oder der Chefin einer künftigen europäischen Regierung um eine Persönlichkeit handeln muss, die nicht nur durch ihr Können und ihre politische Geschicklichkeit, sondern durch ihren moralischen Rang, ihren politischen Mut und ihre erwiesene europäische Verlässlichkeit auf eine breite Zustimmung der Wählerschaft in allen beteiligten Ländern rechnen kann. Persönlichkeiten, auf die solche Kriterien zutreffen, gibt es durchaus. Eine davon wäre der luxemburgische Premierminister und langjährige Vorsitzende des Rats der Finanzminister, Jean-Claude Juncker, gewesen – doch schon seine naheliegende Berufung zum Präsidenten des »Europäischen Rats« (anstelle von Van Rompuy) ist offensichtlich deswegen nicht zustande gekommen, weil er aus der gemeinsamen Sicht von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy womöglich allzu lange Schatten auf deren eigene überragende Bedeutung als die eigentlichen Strippenzieher der europäischen Entwicklung geworfen hätte …
Groß ist sicherlich die Anzahl aller möglichen sonstigen Glasperlenspiele, wie die nächsten Schritte zu einer ernsthaften Vertiefung der europäischen Strukturen konkret aussehen könnten. Was die unverzichtbare Stärkung der demokratischen Legitimation angeht, gibt es allerdings nur einen denkbaren Weg, der geeignet wäre, die Mitwirkung zumindest einer deutlichen Mehrheit der bisherigen Mitgliedsstaaten zu sichern: die Einführung eines Zweikammersystems mit einem direkt gewählten »Parlament« und einem »Senat«, in den die (selbstverständlich weiter bestehenden) Parlamente der Mitgliedsländer jeweils – abhängig von ihrer Bevölkerungszahl – Senatorinnen und Senatoren entsenden. Begleitet werden könnte eine solche Regelung sicherlich durch den Erhalt des »Rats der Staats- und Regierungschefs«, dessen Befugnisse jedoch dann auf ein – an eine qualifizierte Mehrheit gebundenes – Vetorecht gegen bestimmte Beschlüsse der beiden Kammern der Volksvertretung zu beschränken wäre.
Von zumindest gleicher Bedeutung wäre eine grundlegende Abklärung, in welchen Fragen künftig die alleinige Entscheidungs- und Handlungskompetenz bei beiden Kammern der Volksvertretung und/oder der von diesen gewählten »Europäischen Regierung« liegen soll. Von den dafür vorrangig infrage kommenden politischen Sachgebieten war schon die Rede. Entscheidend wird es darauf ankommen, strikt darauf zu achten, dass das Prinzip der Subsidiarität berücksichtigt bleibt. Es könnte sich beispielsweise darin niederschlagen, dass die fragliche Gesetzgebungskompetenz des Parlaments auf die Vorgabe von Rahmenbestimmungen beschränkt bleibt – mit anderen Worten: dass die Parlamente der Mitgliedsländer genügend große Spielräume behalten, um die Durchführung dieser Rahmenbestimmungen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Eigenheiten flexibel gestalten zu können.
Ernsthaft kann allerdings von einer Übertragung der entsprechenden nationalen Souveränitätsrechte auf die Gemeinschaft nur dann die Rede sein, wenn die EU bei der Finanzierung solcher Aufgaben nicht mehr von Mehrheitsbeschlüssen der Mitgliedsländer abhängig bleibt. Bisher unterliegt der Haushalt der Union in keiner Weise der eigenen Entscheidungshoheit. Zwar sind die Mitgliedsländer verpflichtet, vertraglich festgelegte Mittel zu überweisen. Deren Verwendung für bestimmte Zwecke wird jedoch (insbesondere über sogenannte »Töpfe«) jeweils im Einzelnen – neuerdings wenigstens unter Mitwirkung des Europäischen Parlaments – festgelegt. Zukünftig wird dies mit Sicherheit nicht mehr ausreichen. Vielmehr muss die EU endlich über eigene, ihrer alleinigen Entscheidung unterliegende Mittel verfügen. Dies aber macht es eben unvermeidlich, einen gehörigen Teil der einschlägigen Souveränitätsrechte von den Mitgliedsstaaten auf die Union zu übertragen – wobei zumindest bei uns in Deutschland das Bundesverfassungsgericht mehrfach zu Recht darauf aufmerksam gemacht hat, dass dafür nicht nur eine Änderung des Grundgesetzes, sondern eine Volksabstimmung zwingend erforderlich wäre.
Eigene Finanzmittel der EU für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf den Gebieten der Außen-, der Verteidigungs-, der Wirtschafts- und der Finanzpolitik: das bedeutet nichts anderes als eine Wiederholung des aus Geschichte und Gegenwart nur allzu bekannten Streits zwischen den zentralen Instanzen und den
Weitere Kostenlose Bücher