Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
an sie herangetragen werden. Diese Kommilitonin von mir, die deinen Bruder kennt, könnte es erzählen, oder …«
»Wahrscheinlich kann man so was nicht geheimhalten«, unterbach mich Andi mit düsterer Stimme. »Das willst du doch damit sagen.«
»Wenn ich du wäre, würde ich nicht so ein affiges Geheimnis daraus machen. Wir leben nicht mehr im letzten Jahrhundert, du bist kein Grafensohn und ich kein minderjähriges Dienstmädchen.«
Andi seufzte schwer. »Du zwingst mich also, mit meinen Eltern zu reden!«
Ich hasste es, wenn man mich absichtlich missverstand. »Es ist mir scheißegal, ob du es deinen Eltern sagst oder nicht«, sagte ich, aber da hatte Andi schon aufgelegt. Na ja, schaden konnte es nicht, wenn er mal ein offenes Wort mit seinen Eltern redete. Es war Sonntagmorgen, und ich nahm an, dass er die frohe Botschaft zum obligatorischen Familiendinner verkünden wollte. Da wäre ich gern dabei gewesen.
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und einen Augenblick später stand meine Mutter in der Haustür.
»Schon zurück?«, fragte ich erstaunt.
»Wie du siehst«, sagte sie kurz angebunden. Sie sah schlecht gelaunt und übernächtigt aus, gar nicht wie jemand, der durch meditativen Bauchtanz geläutert war.
»War’s denn schön?«, erkundigte ich mich dennoch scheinheilig.
»Es geht so«, sagte sie und stellte ihren kleinen Handkoffer ab. Dem Tonfall nach war es das mieseste Wochenende ihres Lebens gewesen.
»Hier sind wir jedenfalls ein ganz schönes Stück weitergekommen«, sagte ich. »Hast du den Garten schon gesehen?«
»Später«, sagte meine Mutter und griff nach dem Telefon. »Jetzt würde ich gerne erst mal in aller Ruhe telefonieren.«
Ich starrte sie überrascht an. »Mit wem denn?«
»Das geht dich gar nichts an«, sagte meine Mutter scharf. »Wenn du jetzt so gut wärst und mich alleine ließest …«
»Natürlich«, sagte ich überrumpelt. »Ich geh mal gucken, wie weit Gilbert mit der Trockenmauer gekommen ist.« Mit einem letzten Blick auf meine Mutter zog ich mir den alten Skianorak über, den ich zur Gartenarbeitsjacke umfunktioniert hatte, und zog die Haustür hinter mir ins Schloss. Dann stellte ich mich eilends zwischen das Flurfenster und den Lichtschacht neben der Garage, wo man, laut Gilbert, jedes Wort hören konnte, was am Telefon gesprochen wurde.
»Wo warst du?«, hörte ich meine Mutter sagen. »Ich habe die ganze Nacht gewartet!«
O nein! Das hörte sich nicht an, als ob sie meditiert hätte. Das hörte sich an, als wäre sie zu einem Techtelmechtel verabredet gewesen und versetzt worden. Von wem? Von Pfarrer Hoffmann? Ihm jedenfalls wäre die ausschweifende Antwort zuzutrauen, die Mamas Gesprächspartner in den Hörer sülzte.
»Warum hast du dann nicht angerufen?«, zischte sie nach einer halben Ewigkeit immer noch wütend. »Ich kam mir ja so was von blöde vor. So hilflos und allein. Im Stich gelassen und abgeschoben. Allein mit meinen Gedanken … Das hättest du mir nicht antun dürfen!«
Ihr Gesprächspartner sülzte wieder über eine Minute in den Hörer.
»Ja«, sagte meine Mutter schließlich mit leiser, schwacher Stimme. »Wie ein zitterndes Häschen … ganz allein in dem großen weißen Himmelbett …«
Ich verließ abrupt meinen Horchposten, von zitternden Häschen in Himmelbetten wollte ich nichts hören.
»Meine Mutter war nicht zum Bauchtanzen, sie hatte eine Verabredung im Hotel«, sagte ich zu Gilbert, der bereits die zweite Lage Grauwackesteine verarbeitete. »Und sie wurde versetzt.«
»Der Pfarrer war die ganze Nacht bei meiner Mutter«, sagte Gilbert nur.
»Das Schwein«, sagte ich.
»Aber das wollten wir doch? Ihn mit Lydia verkuppeln, oder etwa nicht? Sie hat übrigens Hausverbot im Supermarkt bekommen. Aber sie haben immerhin von einer Anzeige Abstand genommen. Zum Dank hat sie den Pfarrer mit nach Hause genommen. Und da ist er dann … ähm … hängen geblieben.«
»Das Schwein«, sagte ich wieder.
Gilbert sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »War das nicht genau dein Plan?«
»Doch.« Ich rieb mir die Augen. Was für eine komplizierte Angelegenheit! »Aber warum ist er jetzt am Telefon und nennt meine Mutter Häschen? «
»Ich fürchte, er ist eher promiskuitiv veranlagt«, sagteGilbert. »Und Häschen haben es ihm definitiv angetan. Vor allem, wenn sie schwach und ängstlich sind. Ich habe dir ja gesagt, dass er auch noch was mit der Verhärmten aus Nummer fünfzig und der Schönen aus vierundvierzig hat. Frag
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