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Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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soll denn das?« Lydia schüttelte ihre Ivana-Trump-Frisur. »Ich habe einen wichtigen Termin! Ich muss gehen. Und Ihre Lebensmittel« – im Einkaufswagen lagen immerhin noch Wildreis und Ananas – »können Sie behalten. Ob ich noch mal wiederkomme, werde ich mir ganz genau überlegen, so schlecht, wie man hier behandelt wird.«
    Tatsächlich machte sie Anstalten, sich an ihrem Einkaufswagen vorbeizuschieben. Der Filialleiter hielt sie fest.
    »Bitte machen Sie kein Theater«, sagte er.
    Lydia versuchte sich loszureißen, genau wie in der Kirche. Dabei fiel eine Flasche Dom Perignon aus ihrer Lederjacke. Wundersamerweise zerschellte sie nicht auf den Fliesen. Sie rollte unversehrt unter ein Regal und war veschwunden.
    Lydia ließ den Kopf hängen.
    »Die hatte ich schon vorher gekauft«, sagte sie kraftlos.
    »Aber sicher.« Beinahe zärtlich öffnete der Filialleiter die Knöpfe der Lederjacke. Zwei Feigen rollten zu Boden, den Wildlachs fing er mit einer geschickten Bewegung auf. »Auch vorher gekauft, was?«
    Lydia Kalinke schloss kurz die Augen.
    »Bitte, das ist alles ein Versehen«, sagte sie, und ihre Stimme senkte sich zu einem verführerischen Flüstern: »Ich bin gerne bereit, es Ihnen in Ihrem Büro zu erklären.«
    »Da bin ich aber mal gespannt«, sagte der Filialleiter und griff nach Lydias Handgelenk.
    O nein! Das durfte ich nicht zulassen.
    »Hören Sie«, sagte ich laut in die betretene Stille hinein. Sogar Fruchtzwerge-Pascal hatte seit Beginn des Spektakels nichts mehr auf den Boden gepfeffert. »Normalerweise würde ich mich nicht einmischen, aber in diesem Fall sollten Sie besser nicht die Polizei anrufen.«
    Der Filialleiter und Lydia Kalinke sahen mich gleichermaßen verdutzt an.
    »Frau Kalinke ist keine gewöhnliche Diebin«, fuhr ich fort. »Sie ist wegen ihrer Kleptomanie schon viele Jahre in Behandlung. Vor einem halbem Jahr ist sie aus der Landespsychiatrie in Düsseldorf als geheilt entlassen worden.«
    »Von wegen geheilt«, sagte der Filialleiter und zeigte auf den Wildlachs.
    Gilberts Mutter sah mich misstrauisch an, aber sie spielte mit. »Ich weiß ja auch nicht, wie das passieren konnte«, sagte sie mit leiser Stimme. »Es kam einfach über mich, wie in alten Zeiten. Wie in Trance.«
    »Ja, mich überkommt es auch manchmal, wenn ich mir die Preise angucke«, sagte die Kassiererin, die den Fruchtzwergesee aufgewischt hatte, leise. »Aber deshalb lasse ich trotzdem nichts mitgehen.«
    »Kleptomanie ist eine ernst zu nehmende Krankheit«, sagte ich. »Mit Kriminalität hat das nichts zu tun.«
    »Wer sind Sie eigentlich?«, wollte der Filialleiter wissen.
    »Doktor Louisa Schneider, Diplompsychologin«, sagte ich flüssig. Meine zukünftige Berufsbezeichnung perlte von meinen Lippen wie Champagner.
    »Sind sie ihre Psychotherapeutin?«, fragte der Filialleiter.
    »Ähm, nein, aber ich kenne den Fall«, sagte ich. »Da ist mit der Polizei nichts zu holen.«
    »Die kommt aber jetzt gleich«, sagte die Frau im Kittel, die vorhin schon mal da gewesen war. »Wir bringen jeden Diebstahl zur Anzeige. Da kann ja auch jeder kommen und sagen, dass er Pyromanie hat.«
    »Kleptomanie«, verbesserte ich. »Seien Sie bloß froh, dass sie keine Pyromanin ist!«
    Lydia sagte nichts, sie ließ sich nur, ganz rollengemäß, apathisch hängen und kaute auf ihrer Unterlippe. In diesem Augenblick hatte ich eine geniale Eingebung.
    »Ich weiß, wen Sie anrufen könnten«, sagte ich. »Der evangelische Pastor ist mit dem Fall vertraut. Die Klinikleitung hat ihm Frau Kalinke ganz besonders ans Herz gelegt. Rufen Sie ihn an. Hier sind seine Telefonnummern.« Ich reichte dem Filialleiter die Visitenkarte, die Pfarrer Hoffmann mir aufgedrängt hatte. »Wenn er nicht im Pfarrbüro oder zu Hause ist, können Sie ihn auf seinem Handy erreichen.«
    »Na ja«, sagte der Filialleiter. »Das hört sich doch ganz vernünftig an.« Er reichte die Visitenkarte an die bekittelte Frau weiter. »Ruf den Pfarrer an, damit kann man ja nichts falsch machen.«
    »Wunderbar«, sagte ich und lächelte Lydia Kalinke aufmunternd zu. Sie lächelte nicht zurück, aber ich hätte schwören können, dass sie mir mit einem Auge zublinzelte.

    »Ich habe heute deiner Mutter ein Rendezvous mit dem Pfarrer verschafft«, sagte ich zu Gilbert und erzählte ihm von den Ereignissen im Supermarkt.
    »Sie haben ihn auf dem Handy erreicht, und er hat gesagt, dass er sofort käme«, schloss ich. »Ich war sehr erleichtert, weil ich insgeheim

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