Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
Obst war gerade nichts los – niemand schien mich gesehen zu haben. Erleichert knotete ich den Plastikbeutel zu und versenkte ihn diskret in meiner Manteltasche. Beschämt, aber mit deutlich besserem Körperbefinden schob ich weiter zu den Vollkornprodukten und von da direkt zu den Weihnachtssachen. Es schien doch zu einer gewissen Regel zu werden, dass mein Frühstück früher oder später wieder oben herauskam. Also überlegte ich mir, zu dieser Mahlzeit alles das zu essen, was ich mir eigentlich laut Waage und Gesund essen für Ihr Baby verkneifen sollte. Zum Beispiel Marzipanbrote und Dominosteine. Wenn es später doch sowieso wieder erbrochen wurde, konnte ich es auch guten Gewissens essen. Das nannte man wohl »aus der Not eine Tugend machen«. Ich packte auch gleich ein paar von den leckeren Fondantkringeln ein.
Vorne an der Fleischtheke traf ich dann wieder auf Lydia Kalinke, die zwei Lagen Kaiserschinken und Tafelspitz kaufte. Junge, Junge, die Finanzspritze aus der Kollekte hatte sie wohl zu einem Feinschmeckermenü inspiriert. Wen sie wohl eingeladen hatte? Den Pfarrer vielleicht? Nein, das war kaum zu erhoffen.
Ich kaufte zweihundert Gramm Geflügelsalami undschob meinen Wagen zur Kasse. Wenn Pfarrer Hoffmann wirklich auch noch was mit Frau Quirrenberg und Carola Heinzelmann laufen hatte, wie Gilbert behauptete, dann war er definitiv ein viel beschäftigter Mann. Obwohl es natürlich praktisch und auch zeitsparend war, wenn alle seine Geliebten in einer Straße wohnten. Ich musste mal verstärkt darauf achten, ob ich seinen silberfarbenen Angeberkarren auch zu anderen Zeiten in unserer Straße parken sah. Wenigstens war meine Mama im Augenblick außer Gefahr – sie war heute früh zu einem »Wochenende der inneren Einkehr« aufgebrochen. Ich hoffte eher auf eine innere Umkehr.
An der Kasse ging es nicht so recht vorwärts. Alle Lebensmittel, die die Frau vor mir aufs Band legte, wurden von ihrem Kleinkind wieder heruntergegrabscht und in den Einkaufswagen zurückgepfeffert.
»Ne-iiiin, Pascal!«, sagte die Mutter zwar unentwegt, aber Pascal warf die Fruchtzwerge trotzdem auf den Fußboden, wo sie kaputtgingen.
Ich seufzte. Gilberts Mutter hatte es richtig gemacht, sie hatte sich an der Nachbarkasse angestellt. Dort ging es bedeutend schneller vorwärts.
Ich lächelte ihr zu, aber sie sah an mir vorbei zu den bunten Covern der Boulevardzeitschriften. Caroline von Monaco war angeblich auch schwanger. Mit dem vierten Kind. Na ja, die hatte wenigstens ihren Ernst-August und keine Probleme, eine gute Kinderfrau zu finden. Hatte Caroline eigentlich zu Ende studiert? Ich wusste es nicht.
Die Kassiererin an der Nachbarkasse läutete mit einer Glocke. Meine Kassiererin war damit beschäftigt, die Fruchtzwerge aufzuwischen.
Der Filialleiter kam mit wehendem Kittel herangeeilt.
»Was gibt es denn, Frau Herzhof?«
»Wir haben hier einen Code X«, sagte die Kassiererin mit der Glocke.
Ein Code X, das klang interessant. War das die Kurzbeschreibung für »Ungezogenes Kleinkind greift jeden Augenblick nach den Zahnpflegekaugummis und bewirft unsere Kunden damit«? Oder »Frau hat unsere Plastiktüten missbraucht und trägt ausgekotztes Frühstück in der Manteltasche herum«?
»Und wer ist Mr X, Frau Herzhof?«
Frau Herzhof deutete mit der Glocke auf Gilberts Mutter.
»Ich verstehe«, sagte der Filialleiter und packte Lydia Kalinke am Arm. »Dann kommen Sie mal bitte mit in mein Büro.«
»Wer? Ich?«, fragte Gilberts Mutter. »Warum sollte ich?«
»Weil ich mir vorstellen kann, dass Sie das nicht vor Publikum aufklären wollen«, sagte der Filialleiter.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Lydia Kalinke alias Mr X.
»Sie wissen es sogar ganz genau«, sagte der Filialleiter und zeigte auf das Schild, das über der Kasse hing. Danach wurde jeder Ladendiebstahl ausnahmslos zur Anzeige gebracht.
O nein, nicht das schon wieder! Ich überflog Lydias Einkaufswagen und stellte fest, dass der Wildlachs fehlte. Und der Champagner. Und Schinken und Tafelspitz. Und die Riesengarnelen. Eigentlich war der Einkaufswagen so gut wie leer.
Eine weitere wichtig aussehende Person im Kittel eilte herbei.
»Hier gibt es einen Code X«, sagte der Filialleiter.
»Ich rufe die Polizei«, sagte die Frau im Kittel sofort und entfernte sich im Laufschritt.
»Kommen Sie bitte mit nach hinten ins Büro«, forderte der Filialleiter Lydia noch einmal auf. »Wir können dort warten, bis die Polizei eintrifft.«
»Was
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