Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
Schuld, Robert! Warum hast du dein Wort gebrochen? Wir wollten miteinander alt werden, unsere Enkelkinder durch Jahnsberg fahren, gemeinsam die Viktoria-Fälle sehen.«
Sie holte noch einmal tief Luft. »Du hast dich ja nicht mal von mir verabschiedet.« Wieder schluchzte sie kurz auf. »Manchmal stelle ich mir vor, du bist mit einer anderen Frau abgehauen. Einer viel jüngeren und hübscheren. Lebst jetzt mit ihr auf einer tropischen Insel und schreibst mir ab und zu eine Postkarte, die ich ungelesen in den Kamin werfe. Ich wünschte, es wäre so. Dann könnte ich dich hassen und alles, was mich an dich erinnert, zum Sperrmüll geben.«
Sie begann, vor dem Grab auf und ab zu gehen. »Ich habe Louisa ein Einzelgrab kaufen lassen«, fuhr sie fort. »Offenbar wollte sie sich nicht auch noch damit beschäftigen, wo sie mich einst begraben muss. Das arme Kind. Ich habe ihr eine Menge zugemutet in letzter Zeit.« Amelie zog sich den Anorak aus und warf ihn über Roberts Grabstein. Ihr war immer noch heiß.
»Siehst du das?«, fragte sie und klopfte auf ihren flachen Bauch. »Ich bin richtig schlank geworden. Die Leute sagen, das macht der Kummer. Ich sage, das liegt daran, dass ich so wenig esse. Es schmeckt mir nicht mehr ohne dich, das ist das ganze Geheimnis. Wenigstens dafür müsste ich dir eigentlich dankbar sein.« Sie kickte ein kleines Steinchen aus dem Weg. »Ich habe mich die ganze Zeit geschickt am schwarzen Abgrund entlanggehangelt. Und der Pfarrer war mir dabei behilflich. Er hat in mir einen völlig anderen Menschen gesehen als du. Er sah mich schwach und hilflos, zart und anlehnungsbedürftig, und mir hat das gefallen. Es hatmir gutgetan, weißt du? Jetzt, wo ich weiß, dass es seine Masche ist, sich an hilflose Frauen heranzumachen, ist es mir ein bisschen peinlich. Es tröstet mich nur wenig, dass Carola auch auf ihn hereingefallen sein soll. Wenn die Hagens mich denn in ihrem anonymen Brief richtig informiert haben. Eigentlich ist es komisch, sich vorzustellen, dass er auch Carola sein zitterndes kleines Häschen genannt hat. Ausgerechnet Carola.« Sie blieb wieder vor dem Grab stehen und grinste schief. »Ich wusste, dass du darüber lachen würdest.«
»Du bekommst hier ziemlich oft Besuch, was?« Sie beugte sich hinab und untersuchte den Grabschmuck. »Tut mir leid, dass ich dir noch keine Blumen gebracht habe. Ich hatte so schrecklich viel damit zu tun, nicht daran zu denken, dass du hier liegst.« Ein ziemlich hässlicher Kranz aus Tannengrün und Mimosen – von Patti, dachte Amelie – lag gleich neben einer einzelnen Rose, die in dem spärlichen Licht gelb aussah.
»Bestimmt von Louisa«, sagte Amelie und ließ jetzt die Tränen ungehindert über ihr Gesicht strömen. »Kommt sie oft her? Ich rede ja nicht mit ihr, schon gar nicht über dich. Ich glaube, sie hasst mich dafür. Schüttet sie dir ihr Herz aus, wenn sie dir Blumen bringt und Kerzen anzündet? Sieh mal, da ist ein Bändchen an der Rose, es hängt etwas dran. Was ist das – ein Schnuller?« Amelie fröstelte plötzlich. »Ein Schnuller für Babys. O Gott.« Eine Weile lang sagte sie gar nichts. Dann erhob sie sich, griff nach ihrem Anorak und zog kräftig die Nase hoch. »Ich bin nicht nur eine schlechte Witwe, ich bin auch eine schlechte Mutter, was?« Der eisige Wind streifte ihren nass geschwitzten Nacken. »Da ist dieses Ungeheuer, direkt unter mir, und es sperrt seinen Rachenweit auf. Ich habe es Wahnsinn getauft. Es sieht, dass ich nur noch mit zwei Fingern am Rand des Abgrunds hänge, es denkt, ich bin eine leichte Beute.«
Sie schlüpfte in den Anorak, zog den Reißverschluss hoch und legte eine Hand auf den Grabstein. Mit dem Zeigefinger fuhr sie Roberts Namen nach.
»Das Ungeheuer weiß nicht, dass ich es gleich mit bloßen Händen erwürgen werde«, sagte sie mit einem grimmigen Lächeln.
Und dann ließ sie sich einfach fallen.
Als Amelie das Haus betrat, graute bereits der Morgen. Louisa stand in der Küche und fütterte den Kater. Sie musterte Amelie von Kopf bis Fuß und war offenbar sprachlos.
»Keine Angst, das ist nur Dreck«, sagte Amelie und hielt ihr die harzigen Hände hin. »Sieh mal, ich habe eine Tanne für uns gefällt.«
»Was hast du gemacht?«
»Eine Tanne gefällt. Eine serbische Fichte, um korrekt zu sein. Gilbert meint, die sind seit dem Krieg auf dem Balkan ohnehin nicht mehr in Mode. Außerdem müssen sie alle weg, wenn wir den japanischen Garten anlegen.«
»G-Gilbert?«, stotterte
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