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Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Morgenmantel gehüllt die Küche.
    »Hm, riecht das gut«, sagte sie und ließ sich neben Gilbert am Küchentisch nieder.
    »Was hast du da an der Stirn?«, fragte ich und zeigte auf eine blutige Stelle über ihren Augen.
    »Da hatte ich heute Nacht einen kleinen Zusammenstoß.« Sie brach in albernes Gelächter aus. »Ausgerechnet mit einem Laburnum .«

    Nach dem Frühstück arbeitete Gilbert an der Trockenmauer weiter.
    »Ein netter Junge«, sagte meine Mutter, als er gegangen war. »So ehrlich und natürlich.«
    »Aber sicher«, sagte ich. Menschenkenntnis war nicht gerade Mamas Stärke. Das sah man ja am Beispiel des Pfarrers. »Was ist heute Nacht passiert, Mama?«
    Meine Mutter gähnte. »Ich finde nicht, dass du alles wissen musst, Louisa. Schließlich hast du auch so deine Geheimnisse, oder?« Sie zog einen bunten Schnuller aus ihrer Hosentasche und ließ ihn vor meiner Nase baumeln. Der Schnuller war voller Erdkrumen. »Der ist doch von dir, oder?«
    Ich wurde rot. »Ich wollte es dir ja sagen, aber du warst einfach nicht ansprechbar!«
    Mama drehte den Schnuller zwischen ihren Fingern. »Ich muss schon sagen, du hast wirklich ein Faible für Sentimentalitäten. Das musst du von deinem Vater haben. Wusstest du, dass er deinem Opa seinerzeit ein Exemplar seiner Doktorarbeit aufs Grab gelegt hat?«
    »Nein.« Ich fing an zu heulen. »Ich war so einsam, und niemand hat sich mit mir gefreut«, schluchzte ich. »Nicht mal ich selber.«
    »Schon gut.« Meine Mutter streichelte mir über denKopf. »Jetzt bin ich ja da, um mich mit dir zu freuen. Ich bin nur ein bisschen gekränkt, dass du’s Papa zuerst gesagt hast. Wann kommt mein Enkelkind denn?«
    »Im Juni«, schniefte ich.
    »Und wer ist der Vater? Gilbert?«
    »Nei-iiin«, sagte ich beleidigt. »Den kenne ich doch erst ein paar Wochen.«
    »Ach so«, sagte meine Mutter. Es klang beinahe enttäuscht. Eine Weile lang streichelte sie mir einfach nur über den Kopf.
    »Ich habe noch deine ganzen Kindersachen auf dem Speicher«, fuhr sie schließlich träumerisch fort. »Den Stubenwagen, das Spielzeug, die Kleidchen . . du wirst gar nichts neu kaufen wollen!«
    »Ganz bestimmt doch«, sagte ich. »Ich steh nicht so auf die Siebziger.« Ich kannte die Sachen noch von den Fotos. Mein Kinderwagen war aus schwarzem Kunstleder mit orangefarbenen Rauten gewesen, damals der letzte Schrei. Obwohl ich ein sogenanntes Möhrenbaby war, mit karotingesunder Gesichtsfarbe, sehe ich gegen den Wagen auf den Fotos schrecklich blass aus. Mein Kind würde ich auf keinen Fall in solch ein Ungetüm setzen.
    »Verrätst du mir denn jetzt, wo ich keine Geheimnisse mehr vor dir habe, was heute Nacht mit dir passiert ist?«, versuchte ich es noch einmal.
    Meine Mutter schüttelte den Kopf und gähnte wieder, diesmal ausgiebiger. »Später vielleicht. Jetzt brauche ich erst mal meinen Schönheitsschlaf. Ich war die ganze Nacht auf den Beinen.« Sie strich mir zärtlich das Haar aus der Stirn. »Ich verspreche dir, dass wir noch viel Zeit zum Reden haben werden.«
    An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Findestdu eigentlich nicht, dass ich zu jung bin, um Oma zu werden?«
    »Guckst du eigentlich kein Fernsehen?«, fragte ich zurück. »In den Nachmittagstalkshows tummeln sich massenweise Großmütter von Anfang dreißig. Da sind selbst die Urgroßmütter jünger als du.«
    »Solange sie nicht jünger aussehen, ist mir das völlig egal«, sagte meine Mutter.

    Das war alles ein bisschen zu schön, um wahr zu sein. Ich traute dem Braten nicht, Mamas wunderbare Wandlung war mir zu plötzlich gekommen. Vielleicht war das nur eine weitere tückische Abart von Bettys Cosmopolitan -Syndrom, das sie befallen hatte.
    Als sie am Nachmittag aus ihrem Schlafzimmer trat, perfekt geschminkt, frisiert und gekleidet, wurde ich daher sofort misstrauisch. Auch, wenn sie mich anlächelte und mir liebevoll über meine kleine Wampe streichelte.
    »Der rosa Pullover steht dir gut«, sagte ich zögernd.
    »Danke«, sagte meine Mutter und sah an mir vorbei auf die Uhr. Ich folgte ihrem Blick. Es war kurz vor drei.
    »O nein«, sagte ich und schob ihre Hand von meinem Bauch. »Und ich hatte ernsthaft gehofft …«
    »Was?« Meine Mutter zupfte sich vor dem Spiegel eine blonde Strähne in die Stirn.
    »Ich hoffte, du wärst wieder normal «, sagte ich.
    Mama drehte sich zu mir um. »Mein liebes Kind, normal werde ich nie wieder sein.«
    Es klingelte an der Haustür.
    »Der Pfarrer ist ein …«, sagte ich

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