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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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deutet mit ihrem Blick auf den Stapel unter seinem Schreibtisch.
    «Das? Nein. Ich mach das schon. Im Moment ist es nicht so das, was wichtig ist, Ava, im Moment muss ich alles neu organisieren und die Leute motivieren. Das große Ganze. Das ist wichtig.»
    Ava denkt daran, wie Fadil stumm starrend hinter der Ladentheke gestanden hatte. Unnütz fast und abwesend. Sie denkt an den scharfen Blick der blonden Angestellten. Vielleicht hat sich Danilo in Fadil geirrt. Vielleicht hat sie sich in Fadil geirrt. Vielleicht ist er so. «Aber sonst geht es dir gut, ja?»
    «Ja, klar.» Er nickt mit kleinen, müden Kopfbewegungen.
    «Ich hatte so das Gefühl, dass vielleicht irgendetwas ist … mit dir … aber du bist wahrscheinlich nur im Stress.»
    Er sieht an ihr vorbei in Richtung des winzigen, vergitterten Fensters. Flugzeuggeräusche dringen herein, ohrenbetäubende Flugzeuggeräusche vom unsichtbaren Himmel über der Stadt, die im betonierten Hinterhof aufprallen. Er wartet, bis es wieder leise ist, dann sagt er: «Was soll sein? Ich hab zu tun.»
    «Ja, das dachte ich mir.» Sie steht auf und nimmt ihre Tasche. Sie schämt sich, dass sie hergekommen ist. Sie wird Danilo nichts davon erzählen. Er würde sich aufregen.
    «Gehst du schon?», fragt Fadil.
    «Ich muss die Kleinen abholen. Ich wollte nur kurz …»
    Er nickt. Er steht auf und öffnet ihr die Tür.
    «Die Schürze steht dir nicht besonders», sagt sie beim Rausgehen.
    Er hält die Tür immer noch weit auf und lächelt, als wäre alles ganz wunderbar. «Ich weiß.»

    Seit Ava ihn am Tag ihrer Hochzeit zur Feier geladen hatte, saß Josip Androsevich in ihrem Wohnzimmer in einer Ecke neben dem Fernseher. Nach dem Umzug in eine größere Wohnung hat er seinen Platz behalten. Er ist ein Witz, an dem Danilo Gefallen gefunden hat, jedenfalls präsentiert er ihn so vor Gästen. Er sagt dann: «Das ist mein Väterchen, der Josip. Und das, liebes Väterchen, ist der Johannes, mein Kollege.» Ava staubt den Josip manchmal ab, denn er macht immer einen staubigen, muffigen Eindruck. Sie staubt sonst kaum mal etwas ab, aber Josip Androsevich reizt sie, ihn abzustauben. Genau genommen stört er sie, und sie wischt und staubt an ihm herum, ohne dass er sauberer wird.
    An einem heißen Tag Ende Juli stellt Danilo dem Josip Androsevich einen nahen Verwandten vor, den Sohn seiner Schwester, Danilos Cousin Branko aus der schönen alten Stadt Split an der Adria. Danilo hatte von der Existenz Brankos bis dahin kaum einen Schimmer gehabt, von gar keinem Verwandten hatte er einen Schimmer gehabt, aber nun steht er hier, in Danilos Wohnzimmer, und sieht Danilo sehr ähnlich, nur um einiges jünger. Brankos Mutter, Ivanas Schwägerin, die ihr jedes Jahr zum Weihnachtsfest eine Karte sendet, hat ihrem Sohn Ivanas Adresse gegeben, und Ivana hat ihm dann Danilos Adresse gegeben. Branko ist mit seinen Freunden David und Kruno auf der Durchreise nach Trondheim in Norwegen, wo Kruno eine Frau namens Ingfrieda zu treffen hofft. Alle drei studieren Elektrotechnik an der Universität Split. Sie haben riesige Rucksäcke mit Zelten und Schlafsäcken dabei, sie sind verschwitzt und schmutzig und jung und braun gebrannt. Sie stehen verlegen im Wohnzimmer und lächeln. Danilo spricht Kroatisch, Ava hat es noch nie gehört, seine Mutter spricht vor ihr ein brüchiges Deutsch mit ihm, aber er spricht offensichtlich Kroatisch, langsam und vorsichtig, es aus den Tiefen seiner vergangenen Kindheit hervorziehend. Es gefällt ihr. Es passt zu Danilo.
    Branko lehnt seinen riesigen Rucksack gegen das Bücherregal und setzt sich auf das Sofa. Die anderen tun es ihm nach. Sie sitzen nebeneinander und lächeln freundlich, und Branko kichert. Danilo fragt etwas, sie antworten, und er nickt. Dann läuft er in die Küche, Ava hinterher.
    «Danilo, du kannst Kroatisch sprechen?»
    «Ja, was denkst du?», sagt Danilo und öffnet den Kühlschrank, starrt eine Weile hinein, dann schließt er ihn wieder.
    «Müssen wir einkaufen?», fragt Ava und fragt sich gleichzeitig, ob sie einkaufen muss.
    «Wir haben gar nichts», sagt Danilo.
    «Brauchst du Bier?»
    «Wir haben gar kein Bier mehr.»
    «Ich wusste gar nicht, dass du Kroatisch kannst, Danilo.»
    Danilo schüttelt den Kopf. «Ich kann schon immer Kroatisch. Ich bin kroatisch aufgewachsen. Meine Mutter ist Kroatin.»
    «Nimm die Jungs doch mit und fahrt zusammen Bier kaufen», sagt Ava. Sie weiß schon, was Danilo überlegt. Wenn er sie einkaufen schickt, wird

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