Eheroman (German Edition)
Schweinebauer, Regines Minimarkt und alles, was vorher ständig unter ihren Füßen und um sie herum war. Nun plötzlich sitzt er zwischen ihren alten Freunden, als würde er dazugehören, als wäre er nicht viel jünger. Er sitzt gegen den Stamm der Linde gelehnt, die Beine angezogen, und zieht an einem Joint. Der süße Geruch steigt Ava in die Nase. Sie geht langsamer und versucht, sich auf etwas zu konzentrieren, sie weiß nur nicht genau, auf was, sie will mit etwas beschäftigt sein, damit er nicht denkt, sie würde ihm besondere Beachtung schenken. Sie hält bei der Mutter und dem Vater, an der Partybank, sie legt der Mutter die Hand auf die Schulter und sagt: «Ist doch echt schön hier, nicht?»
Die Mutter schaut sie an und fragt: «Ist alles in Ordnung, Ava?», und ihre Augen werden misstrauisch klein.
Ava nickt. «Ich war nur kurz zu Hause. Jetzt bin ich wieder hier.»
«Ich seh’s», sagt der Vater und nimmt einen Schluck aus seinem Glas. «Dann geh aber man wieder spielen, Ava.»
Ava seufzt und geht zu den anderen.
Danilo ist älter geworden, sieht sie von nahem, auch wenn sein Haar immer noch so dicht um seinen Kopf wuchert, wie ein Kroaten-Afro, wenn es so was gibt, sie muss über ihren eigenen Gedanken grinsen, und seine dicke Brille trägt er auch noch oder zumindest ein ähnliches Modell. Aber er zieht an seinem Joint, als wäre er zwanzig, und sieht kaum noch wie ein Kind aus. Wie alt kann er sein? Sie rechnet. Vierzehn oder fünfzehn? Er hängt da, viel zu groß für sein Alter und zu dünn für seine Größe, mit seiner Brille und seinen Haaren, nicht mal am Haarschnitt hat er was geändert, und kifft, wie ein König, als wäre es nicht nötig, sich zu ändern und andere Klamotten zu tragen und erwachsen zu werden, als wäre er von Anfang an genau richtig gewesen, der kleine Spinner. Aber so dreist, wie er damals war, in dem Schuppen mit den Mäusen, kann er nicht mehr sein, so sind nur Kinder. Dennoch ist sie auf der Hut. Aber er beachtet sie kaum. Sitzt nur da und starrt in den Himmel und lächelt.
«Das ’s Danilo», sagt Markus mit der Fluppe im Mund, «kennst, Avi?»
Ava sagt nichts. Sie hebt nur kurz vier Finger in Danilos Richtung und sinkt dann neben Andreas auf die Kiste.
«Wo warst du so lange?», fragt Andreas, wendet sich aber sofort wieder Sabine zu. Andreas sieht viel netter aus als eben auf dem Rückweg in ihrer Vorstellung. Er sieht richtig gut aus. Sie weiß gar nicht mehr, wo ihre Abneigung hergekommen ist, und was sie eigentlich will, was willst du eigentlich, Ava? Blöde Kuh, du. Andreas redet mit Sabine über Hamburg und das Leben in der Großstadt, dann dreht er sich wieder zu Ava und lächelt und legt seine Hand auf ihr Knie.
«Ich war nur zu Hause auf Toilette», sagt Ava. «Das war nicht lange, das habe ich doch vorher auch gesagt. Und es war auch nicht lange.»
«Was hast du denn so lange zu Hause gemacht, ist dir nicht gut gewesen?»
«Mann, ich war auf Toilette, hörst du überhaupt zu?»
«Ava, sei doch nicht so.» Andreas streicht ihr über das Knie und dreht sich zum Küssen zu ihr. Ava lässt sich von seinem Biermund küssen, doch plötzlich steigt die Wut von vorhin wieder in ihr hoch. Wie kann es sein, dass er sich hier so gut amüsiert? Er lügt doch, oder er amüsiert sich wirklich, aber wie kann er das nur? Es kommt ihr so falsch vor. Sie sieht zu Markus hin, der im Takt der Musik mit dem Kopf nickt und Ava beobachtet und die Stirn runzelt, als wüsste er bestens Bescheid über sie und über alle und überhaupt. Das macht sie noch wütender. Wieso scheint ausgerechnet Markus, der dumme, dumme Markus, mit der dummen, dummen Frisur, irgendetwas durchschaut zu haben, von dem sie selbst überhaupt noch nicht weiß, was es ist? Doch er irrt sich, du irrst dich, Markus, nicht alle Beziehungen sind so nett wie deine, es gibt auch Beziehungen, die auf ganz andere Art gut sind. Demonstrativ legt auch sie ihre Hand auf Andreas’ Bein und streichelt sein viereckiges Knie. Sie streichelt wütend und mechanisch, bis Andreas ihre Hand von seinem Bein nimmt und sagt: «Ava, geh doch einfach noch mal auf die Toilette, das ist ja nervig mit dir.»
Danilo beugt sich zu Ava rüber, starrt sie an, als würde er überlegen, wer sie eigentlich ist, und reicht ihr dann wortlos den Joint.
Ava nimmt ihn mit ausgestrecktem Arm und zieht einmal tief, dann noch einmal, dann lehnt sie sich zurück und lässt die Sachen alle in sich sacken.
So ist es nun mal, Ava, so ist
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