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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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es nun mal. Alles Tatsachen. So verdreht alles, aber so isses nun mal. Sie zieht gierig ein drittes Mal, bevor sie den Joint weiterreicht. Sie atmet langsam und bewusst, Atmung, denkt sie, wie Atmung so geht, und dann denkt sie an den letzten Satz, den Andreas gesagt hat. Warum hat er gesagt, sie soll noch mal auf die Toilette gehen, das macht doch keinen Sinn? Oder welchen Sinn macht das? Soll sie weggehen von ihm, oder meint er zu wissen, dass sie schon wieder pinkeln muss? Sie trinkt Bier und denkt darüber nach und schießt dann hoch, gerade und mit schaukeligem Schwung, und steht wie eine Birke und schwankt leicht im Wind. Sie hört sich sagen: «Ich geh mal nach Hause, auf Toilette, schon wieder.» In ihrem Innern springt der kleine Motor an, und sie geht wie von was Unbekanntem getrieben, mit durchgedrücktem Körper, gerade wankend, aber eine angenehme Elastitizität in sich spürend, mit dem Ziel Dorfstraße, die anderen im Rücken, ohne sich umzudrehen, geht einfach los. Es kann ja sein, denkt sie. Es kann ja sein, man muss manchmal öfter. Und sie geht, bis die anderen hinter der nächsten Biegung weg sind. Da bleibt sie stehen und kichert. Sie stützt sich mit der Hand an der Hauswand ab, warmer, bröckeliger Putz an ihren Handinnenflächen, und kichert und kichert. Ich muss doch gar nicht, flüstert sie leise zu sich selbst. Dann geht sie langsam weiter, unentschlossen, soll sie wieder zurückgehen?, bis sie hinter sich Schritte hört. Sie dreht sich um und ist sehr froh, dass es Danilo ist, der sie verfolgt hat, und nicht Andreas. Er hält in seiner Hand etwas hoch, ein Tütchen. «Kommst mit, ich hab noch genug für uns beide, wir können uns schön zukiffen.»
    Ava nickt. Er nimmt sie wieder an die Hand, wie immer, denkt sie, so wie immer, das ist doch komplett irre, und führt sie zu seinem Hof, hinter die schiefen Schuppen, wo auf hohem Gras, auf runden Feldsteinen, in die Erde eingegraben, eine verrostete Hollywoodschaukel steht. Danilo holt eine zusammengerollte Schaummatratze mit großen, gelben Blumen aus einem der Schuppen, die legt er auf die Schaukel, er hängt ein kleines, silbernes Radio an einem S-Haken an der Seitenstrebe der Schaukel auf und stellt es an.
    Ava lässt sich auf die schwankende Blumenmatratze fallen und sieht nach den Sternen und kifft und ist vollkommen zufrieden.
    «Ich dachte, ich bin mit nichts zufrieden, aber jetzt geht’s mir gut», sagt sie.
    «Das kommt vom Kiffen», sagt Danilo.
    «Ich weiß ja, ich weiß. Aber ist doch egal.»
    Sie schaukeln vor und zurück, langsam in blauen Wellen, der Mond schaukelt mit, und die Sterne, Schafe blöken irgendwo auf der Wiese hinter dem Hof. Im kleinen Radio leise schnarrende Musik. Danilo hat den Kopf zurückgelehnt, auf die metallene Rückwand, und schaut mit halbgeschlossenen Augen nach oben.
    «Fast als ob wir Freunde wären», sagt Ava.
    «Wir sind keine Freunde», sagt Danilo und kichert und reicht Ava den Joint.
    «Du darfst überhaupt noch nicht kiffen», sagt Ava und nimmt den Joint, «wie alt bist du jetzt überhaupt?»
    «Du hörst nie auf, nicht? Du fragst immer das Gleiche. Wie alt bist du eigentlich, darfst du schon kiffen, darfst du schon auf der Schaukel sitzen und schaukeln, darfst du überhaupt schon leben? Häää? Danilo? Häää? Darfst du überhaupt schon leben?» Danilo hat langsam geredet, gleichgültig, amüsiert.
    «Wieso sagst du, wir sind keine Freunde, wir könnten doch wirklich gut … Freunde sein, und sind es … auch schon.»
    Danilo schüttelt den Kopf und sieht dann, den Schädel immer noch an der Rückenlehne, Ava an und grinst, und seine Augen funkeln. «Du bist was ganz anderes für mich. Mehr was mit Knutschen.»
    Ava lässt sich von der Schaukelei einlullen. Vielleicht hat er recht, sie ist so bekifft, dass sie nur sehr umfassend über alles nachdenken kann, gar nicht so klar wie sonst, aber auf eine großartige Art umfassend und gerecht. Wenn Beziehungen zwischen Leuten was mit Knutschen zu tun haben, dann nicht mit Freundschaft. Das kann sie so anerkennen. Das würden auch andere sagen, Sabine zum Beispiel. Das Komische ist nur, sie hat gerade sehr freundschaftliche Gefühle für Danilo, sie fühlt sich mehr mit ihm befreundet als mit allen anderen draußen auf dem rotsteinigen Platz. Die kommen ihr plötzlich ausgeschlossen und bemitleidenswert vor. Sie sagt: «Ich könnte mir vorstellen, dass ich mit befreundeten Menschen knutsche. Ich mag die ja dann auch, wenn ich mit denen

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