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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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luxuriös duschen, oder noch besser, ich gehe baden, ich mache mir ein tolles Schaumbad, Ava.»
    Er lässt sich Wasser ein und singt und freut sich. Ava wünscht sich, dass sie auch so sein kann. Sie zieht sich aus und sagt: «Ich bade auch, ich komm zu dir rein», und kriecht zu Stulle in das viel zu schaumige Wasser, weil er zu viel von dem Duschbad hineingetan hat. Als sie verschrumpelt aus dem Wasser steigt, rot am ganzen Körper, von dem heißen Wasser, das Haar nass, ist es draußen alles ganz orange und der Himmel türkisblau. Sie will unbedingt sofort trinken, viel trinken.

    Sie laufen am Intermarché und McDonald’s vorbei, folgen der Zeichnung, die Ava nach Stulles Euroatlas gemacht hat, auch wenn die Umrechnung zu klein und die Straßen nur vage zu erkennen sind, aber sie hat sich richtig orientiert und sie kommen da hin, wo sie hinwollte, an den Fluss Adour, der breit und dunkelgrün unterhalb des Abhangs liegt. Sie setzen sich auf einen Stein und beobachten Leute, die auf einer Decke sitzen und lachen und Wein trinken. «Stulle, ich will auch trinken», sagt sie. «Ich hab echt Lust auf Trinken.»
    «Hast du Kummer?», fragt Stulle und grinst.
    Sie schweigt verstimmt. Will sie trinken, um ihren Kummer zu besiegen? Hat sie überhaupt Kummer? Auf dem Rückweg starrt sie neidisch in die Hauseingänge und die geöffneten Fenster. Sie finden zurück in ihre Straßenlandschaft und zum Intermarché, der Wein hat und Käse und Pudding und Chips und Bier und alles. Sie legen ihre Sachen in den Rieseneinkaufswagen, und es ist auch ein Riesenvergnügen. Wenn man sich ein paar Sachen kaufen kann, dann ist es für die Stimmung nicht verkehrt, denkt Ava. Umgekehrt ist es für die Stimmung heutzutage das Letzte, wenn man sich keine paar Sachen kaufen kann. Und sie gibt dem Mann, der einsam vor dem Eingang steht und abscheulich, aber herzzerreißend Akkordeon spielt, ein paar Kröten in die gekrümmte dunkle Hand.
    Stulle greift nach ihrer Hand, und sie lässt sie ihm. Wenigstens was, denkt sie. Ist ja nicht viel. Im Zimmer reißen sie alles auf, wie im Rausch des Überflusses, und sehen MTV. Ava trinkt Rotwein aus einem Wasserglas. «Ein Gläschen kann ich auch», sagt Stulle, und sie trinken und krümeln Chipsbröckchen auf die synthetische Überdecke und auf den Boden und essen Gummibärchen und beißen Stücke vom Käse ab. Später, als sie betrunken ist, sagt Stulle: «Ich mach jetzt auch was für dich, Ava», und sie hat keine richtige Ahnung, was er meint, aber sie kichert, als er ihr die letzten Kleidungsstücke von ihrem Körper zieht. Sie nimmt einen Schluck von dem Wein, während Stulle sich unten an ihr zu schaffen macht, so gut er kann. Sie lässt ihn machen und kichert weiter und ist so weich und liegt da wie ein wirbelloses Tier. Als er auf dem Teppich weiter rumrückt, um besser an sie heranzukommen, stößt sich Stulle dann den Fuß an einer Kante und springt rum und flüstert: «Oh Mann, oh Mann!» Ava kann gar nicht mehr aufhören mit Kichern, obwohl es ihr leidtut. «Lass es doch», sagt sie. Aber Stulle schweigt und setzt sein Werk fort. Im Innern ist er ein harter Typ, denkt Ava, er macht es so, wie er es sich vorgenommen hat, auch wenn es umsonst ist, aber alles ist meistens umsonst und hat doch irgendwie einen Sinn. Bei diesem Gedanken verliert sie ihr schlechtes Gewissen, sie spürt, wie es sie verlässt, wie ein Luftballon, der aus ihrem Herzen steigt, denn dann hat auch die Tatsache, dass sie hier ist, einen Sinn. Ein Geräusch löst sich aus ihrem Innern, das spornt Stulle an, sie denkt an gar nichts mehr und flattert auf eine Weise durch die Nacht, in diesem kalten Hotel, wie sie es in der Liebe, in der wirklichen Liebe, sonst nie getan hat.
    Vollkommen leer, mit nassem Gesicht, liegt sie neben dem triumphierenden Stulle und will gar nichts mehr. Was für eine Stille und welch überwältigende Leere!
    «Wir schlafen jetzt», sagt Stulle und schaltet das Licht aus.
    Sie sagt noch immer nichts, bewegt sich nicht und hört Stulle ruhig atmen und dann sich selbst, und dann ist sie weg.

    Ab diesem Moment bewegen die Dinge zwischen ihr und Stulle sich nicht mehr. Als wäre ein Schalter ausgeschaltet worden. Dabei ist das, was dort passiert ist, gut gewesen, phantastisch sogar. Aber etwas ist ausgeschaltet worden, und das macht es einfacher. Für sie. Für Stulle nicht.
    Stulle muss in Navais, Póvoa de Varzim, Portugal, Tomaten abholen. Stulle sitzt auf seinem federnden Sitz, kaut

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