Eheroman (German Edition)
dazu?»
Ava zuckt mit den Schultern. Hotel kostet Geld. Sie könnte sich das natürlich leisten, einmal im Hotel, es ist ja ihr Urlaub, aber sie möchte nicht, dass Stulle wegen ihr und nur wegen des Gefallens, den sie ihm getan hat, und seines Hochgefühls sich zu unnötigen Ausgaben hinreißen lässt. Oder will er noch mehr Sex?
Draußen scheint die Sonne milder und tiefer, auch wenn es immer noch heiß ist und die Luft glüht. Ava nickt langsam. Gut.
Das Comfort Hotel Loreak ist ein weißrosa gestrichener Block und liegt tief zwischen geschwungenen großen Straßen, die nach Bayonne führen und ans Meer, wie Ava auf der Karte sehen kann. Schräg dahinter ein Parkhaus, daneben ein Intermarché, ein McDrive und eine Baustelle für ein Bürohaus. Unterhalb der Straße, vor den Parkplätzen für das Hotel, wachsen mühselig ein paar verkrüppelte Kiefern im dünn mit langen Gräsern bewachsenem Sandabhang, der bunt gesprenkelt ist von Dosen und Tetrapaks, Müll von der höher gelegenen Abfahrtsstraße der A63. Ein von grün gestrichenem Holz überdachter Eingang führt in die Empfangshalle, die Ava an ihre alte Schule erinnert. Eine Kaugummi kauende Frau im Kostüm, der Rock zu eng und in der Taille zu hoch gerutscht, zieht an diesem herum, als Ava und Stulle sich ihr nähern. «We would like a room.»
Die Frau sagt: «Doppel oder Einzel?» Sie sagt es mit französischem Akzent, aber sie spricht ganz prima Deutsch, wie es aussieht.
«Das habe ich noch nie gemacht, im Hotel gepennt, unterwegs», sagt Stulle und legt seine in einer Plastiktüte von Edeka zusammengefassten Sachen auf einen Stuhl.
«Warum nicht, und warum tust du es jetzt?», fragt Ava.
Stulle zuckt mit den Schultern. Sein schönes Gesicht wirkt im Hotelzimmer hilflos. «Warum nicht? Ich würde ja kein Geld dabei verdienen.»
«Und heute?»
«Ich hab Lust drauf. Ich hab einfach mal Lust drauf.»
Ava legt sich auf die synthetisch raschelnde Überdecke des Hotelbettes und starrt auf die Deckenplatten. Stulle hat das Fenster geöffnet und seinen Kopf hinausgesteckt. Draußen rauscht der Verkehr, das macht das Zimmer von innen ganz still, und Ava streckt sich und reckt sich nach allen so weiten Seiten. Allein, geht es ihr durch den Kopf, würde sie hier vor Einsamkeit verrückt werden, und wäre es nur ein einziger Tag. Allein wäre das hier der trostloseste Ort auf der ganzen Welt. Und das, obwohl die fremde Stadt nicht weit ist und McDonald’s und die anderen Menschen in ihren Zimmern neben und unter ihnen.
Sie steht auf und stellt sich neben Stulle, der von oben seinen Lkw betrachtet, der einen der langen Busparkplätze in Anspruch nimmt. Der Parkplatz ist ansonsten fast leer. Stulle hatte die Frau mit dem zu engen Rock gefragt, ob es in Ordnung sei, wenn er seinen Lkw hier parken würde, wenn es nicht in Ordnung gewesen wäre, dann wären sie weitergefahren, aber es war in Ordnung. «Ja», hatte die Frau gesagt und gelächelt. Ein französisches «Ja». Sie hatten das erste Hotel von der Autobahn ab nehmen wollen, und dieses war das erste gewesen, das ausgeschildert war, und sie hatten es auch gleich gefunden. Nun, da sie hier sind, ist es wie ein Fehler. Oder nicht?
Stulle schließt das Fenster, zieht die blasse Untergardine vor und stellt den Fernseher an, der auf der Kommode steht. Dann schmeißt er sich auf das Bett. Er dreht seinen Kopf zu Ava und lächelt. Ava nimmt seinen Kopf in ihre Hände und küsst ihn. Dabei denkt sie an Danilo, wie sie sonst seinen Kopf in die Hände nimmt und küsst. Ganz genau so, als wäre es immer das Gleiche und überhaupt nichts wert. Danilos Kopf etwas anders, seine störrische Brille immer im Weg, sein wildes Haar immer im Weg, er selbst sich immer gestört fühlend. Kurze Zeit später kommt dann die Rührung, er sieht Ava an und lächelt und merkt erst jetzt die Wärme ihres Kusses auf seiner Stirn. So Danilo. Stulle überlässt ihr seinen Kopf willig und weich, sein Hals sanft verbogen, sein Gesicht schön und lieb, sie lässt ihn los und stößt ihn fast angeekelt weg. Sie lässt sich neben ihn fallen, betrachtet wieder die Deckenplatten, während Stulle Fernsehsender durchschaltet, französische Schießereien, Talkshow auf Französisch, das hört sich viel kultivierter an, wenn auf Französisch sich angeschrien wird, sie denkt sich durch das Geschrei und Geschieße und schämt sich für ihre eigenen Gefühle. Stulle schaltet den Fernseher aus und sagt: «Ich gehe duschen, ich gehe jetzt richtig
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