Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
Vom Netzwerk:
geflickten Stricksocken daneben, sie anstarrend, stolz und etwas unsicher wegen seines Kaufs. «Wie findest du sie?», fragt er lächelnd.
    Und Ava soll der Schlag treffen, wenn sie ihm dieses merkwürdige Schuhwerk auch nur mit einer Silbe schlechtmachen würde. Und ihm seine Freude nehmen. So selten kauft Danilo Kleidung für sich. Und, was noch wichtiger ist, so selten bedarf er ihres wohlwollenden Zuspruchs. Die Schuhe stellen eine Extravaganz dar, und Danilo hat sich ganz sicher nicht geirrt. Danilo kann sich in solchen Sachen gar nicht irren; wenn ihm die Schuhe in die Augen gestochen sind, wenn sie ihm urplötzlich gefallen haben, dann deshalb, weil sie seiner Persönlichkeit entsprechen, weil sie ihm in ihrem innersten Wesen entsprechen, wenn man denn von dem innersten Wesen eines Paars Schuhe sprechen kann.
    «Zieh sie doch noch mal an», sagt Ava.
    «Meinst du?»
    Seine Unsicherheit, sein Bedürfnis nach ihrer Aufmerksamkeit machen sie froh.
    Er zieht die Schuhe an und geht den winzigen Flur ein kleines Stück auf und ab. Merve kommt aus dem Wohnzimmer gekrochen, ein Stück Paketband in der Hand, und starrt den gehenden Vater an, den tänzelnden Vater, denn Danilo tänzelt fröhlich wie ein Eichhörnchen. Ava strahlt.
    «Baba», schreit Merve.
    Danilo beachtet sie nicht. Auch das macht Ava froh. Dass er sich ehrlich auf ihre Meinung konzentriert.
    «Ziemlich cool», sagt sie.
    «Findest du?»
    «Du siehst aus wie …»
    «Ja, wie wer?»
    Ava überlegt. Wie wer sieht Danilo aus?
    «Bbbrrrrr. Uff», sagt Merve und macht sich auf den Weg, Danilo entgegen.
    «Jemand mit Stil. Es fällt mir nicht ein. Gérard Depardieu vielleicht?»
    «Gérard Depardieu? Na, danke.»
    «Nein. Aber jemand Cooles.»
    «Du kennst niemand Cooles.»
    «Für mich ist Gérard Depardieu cool.»
    «Na ja.» Er zieht die Schuhe aus und stellt sie wieder vor sich auf den Boden.
    Merve ist bei Danilo angekommen und greift nach einem Schuh. Sie hebt ihn mühevoll hoch, sie grinst, eine dünne Spur Spucke läuft aus ihrem Mund. Danilo reißt ihn ihr aus der Hand und stellt beide Schuhe hoch ins Schuhregal. Merve bleibt vor Wut die Luft weg, sie lässt sich fallen, wie es so ihre Art ist, schlägt dabei mit dem Kopf gegen das Schuhregal, haut sich den Zahn in die Lippe und blutet. Geschrei und Alltag. Scheiß Schuhe, denkt Ava. Scheiß Danilo. Scheiße, Scheiße, Scheiße.
    Ava nimmt die schreiende Merve mit in das Bad, schließt die Tür, wischt ihr das Blut mit Klopapier ab und wischt ein bisschen doll, sodass Merve vor Geschrei fast blau anläuft. Als ihr ihre Grobheit bewusst wird, fünf Minuten später, drückt sie Merve erschrocken an ihr Gesicht, Merves tränennasse Wange an ihre, und murmelt leise Entschuldigungen. Es tut ihr so leid, denn was kann Merve dafür?
    Sie holt einen Lieblingskinderjoghurt aus dem Kühlschrank und stellt ihn vor Merve auf den Tisch. Merve greift nach dem Plastiklöffel und schreit noch wütender und enttäuschter auf, als sie den Joghurt in den brennenden, blutenden Mund bekommt. Die Lippe ist geschwollen und von innen etwas eingerissen. Aber die Zähne sind nicht durch die Lippe geschlagen. Es wird wieder heilen. In ein paar Tagen wird es nicht mehr zu sehen sein.
    Danilo kommt in die Küche. «Willst du nicht vielleicht mit ihr zum Arzt gehen?», sagt er kühl, als wäre es ihre Schuld.
    Ava starrt ihn an. «Willst DU nicht vielleicht mit ihr zum Arzt gehen?», fragt sie.
    «Bitte, wenn du meinst, ich sollte das tun. Gib mir die Krankenkarte, und ich gehe mit ihr nach meiner Arbeit auch noch zum Arzt, wenn du dich dazu nicht in der Lage fühlst.»
    Ava schweigt und bleibt mit der wimmernden und mit den Fingern im Joghurt rührenden, vollkommen blut-und-joghurt-verschmierten Merve auf ihrem Schoß sitzen. «Es ist nicht notwendig», sagt sie schließlich.
    «Na, du musst es ja wissen», sagt Danilo.
    Sie weiß es. Sie ist Krankenschwester. Der Arzt kann nichts tun, wenn Merve drinnen in ihrem Mund einen kleinen Riss hat. Was auch, ein Pflaster draufkleben? Danilo hat keine Ahnung, beschäftigt sich nie damit und macht ihr dennoch Vorwürfe. Er wirft ihr Faulheit vor und Trägheit. Und weil sie selbst sich Faulheit und Trägheit vorwirft, weil sie nämlich den Haushalt nicht im Griff hat, nicht wie es sein sollte, weil sie selbst oft genug denkt, dass sie mehr tun könnte, kann sie sich von diesen Vorwürfen nicht ganz frei machen. Sie ist den ganzen Tag zu Haus und verdient kein Geld und tut praktisch

Weitere Kostenlose Bücher