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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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Bauernkeusche, die er 1946 gemeinsam
mit seiner Mutter übernommen hatte, das stattliche Anwesen von heute geworden
ist. Er war fünfzehn Jahre alt gewesen. Für eine Ausbildung waren weder Geld
noch Gelegenheit vorhanden und die Mutter wäre ohne ihn verloren gewesen. Die
schwere körperliche Arbeit hatte ihm, der damals noch schmächtiger war als
heute, grob zugesetzt. Aber er musste seiner Mutter eine Stütze sein. Er musste für sie da sein und er musste ihr den
Ehemann ersetzen. Seinem Fleiß und seiner Schaffenskraft war es zu verdanken,
dass die da unten in einer herrschaftlichen Küche speisen dürfen. Und was ist
der Dank dafür? Freche Sprüche von einer Möchtegern-Bäuerin, die in beinahe
acht Jahren noch nicht einmal ein kleines Stück Grünland, geschweige denn auch
nur einen Hektar Wald erwirtschaftet hatte. Franz wusste insgeheim, dass er
jetzt ungerecht wurde, aber außer ihm und dem vor seinem Bett liegenden Hund,
der immer zu wissen schien, was in seinem Herrchen vorging, konnte ohnehin
keiner in seine Gedankenwelt eindringen.
    Sollte das wirklich alles sein, was er vom
Leben erwarten durfte. Eine armselige Kindheit und Jugend ohne den Beistand eines
Vaters und nun, da er selbst sechs Kinder in die Welt gesetzt hatte, nur
Undank? In solchen Momenten hätte er sich die Unterstützung seiner Frau
gewünscht. Er hätte viel darum gegeben, wenn sie nach der Auseinandersetzung
von vorhin aus reiner Solidarität mit ihm den Raum verlassen hätte. Wo war sie
denn, wenn er sie brauchte? Ständig wuselte sie um ihn herum, trug ihm alles
zum sprichwörtlichen „A……….“, ohne zu merken, dass sie damit nur alles
schlimmer machte. Permanent wurde er dadurch an seine eigene Unzulänglichkeit
erinnert. Aber das merkte sie natürlich nicht und er hatte weiß Gott keine
Lust, von sich aus so ein Gespräch zu beginnen. Er wusste doch, wohin das
führte: „Es tut mir so furchtbar leid!“, würde sie heucheln und dabei jede
Menge Krokodilstränen herausquetschen. Das Einzige,
was dabei herauskäme, wäre, dass er sich wieder einmal entsetzlich schlecht und
schuldig fühlen würde.
    Ronny legte ihm den Kopf aufs Knie. „Danke
mein Freund!“, brummte Franz und strich ihm liebevoll über sein zotteliges
Fell. Er saß nun schon seit mehr als einer Stunde aufrecht in seinem hohen
hölzernen Bett. Das kleine Zimmer mit den kunstvoll gearbeiteten alten
Kiefernholzmöbeln war mit schweren, rotbraunen Vorhängen verdunkelt.
    Manchmal konnte er ähnliche Konfrontationen etwas
leichter wegstecken. Dann ließ er sein Zuhause hinter sich, setzte sich ans
Steuer seines grünen Volvo S40 mit Automatikgetriebe und versuchte in
irgendeinem Wirtshaus bei einem kühlen Blonden auf andere Gedanken zu kommen.
Der Alkohol hatte nie eine besondere Rolle in seinem Leben gespielt. Nicht so,
dass er ihn jemals gebraucht hätte, aber manchmal war er ganz hilfreich, um vergessen
zu können. Selbst wenn die lallenden Wirthausbrüder nicht die unterhaltsamsten
Gesellen waren, so erfüllten sie in solchen Fällen doch ihren Zweck. Franz war
nicht der Typ, der anderen Leuten von Sorgen oder Problemen erzählte. So
besoffen konnte er gar nicht sein. “In ganz Irdning gibt’s nicht soviel Alkohol, dass er mich zum Austauschen von plumpen
Vertraulichkeiten verführen könnte“, sagte er laut vor sich hin, während er
darüber nachdachte, wie sich seine Empfindungen in den letzten Jahren verändert
hatten. Bei jedem Lächeln, mit dem man ihn auf der Straße, in Geschäften oder
Wirtshäusern seiner Heimat bedachte, überkam ihn ein ungutes Gefühl.
Belächelten sie wohl sein Schicksal, mit einem lauwarmen Spross geschlagen zu
sein, oder hatten die Leute bloß Mitleid mit dem armen, alten Krüppel?
    Ein zaghaftes Klopfen riss ihn aus seinen
Gedanken. Harald steckte ohne Aufforderung vorsichtig seinen Kopf zur Tür
herein. „Kann ich dir ein wenig Gesellschaft leisten?“ Ein sanftes Lächeln
glitt über Franz Seidls Züge. Jetzt fiel ihm wieder ein, wer außer dem treuen
Hund noch ein winziger Hoffnungsschimmer auf seinem Horizont war: sein 10-jähriger
Enkel. Er war noch zu jung, um sich genau erinnern zu können, wie sein
Großvater war, bevor er seinen schrecklichen Unfall hatte. Für ihn war er immer
derselbe grantelnde alte Mann und er schien es ihm
nicht weiter übel zu nehmen. Im Gegenteil - manchmal hatte Franz sogar das
Gefühl, der Junge hätte ihn richtig gern.
    „Du darfst der Mami nicht böse sein, die
denkt oft nicht

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