Ehrenhüter
O-Töne vor laufenden Kameras abzugeben.
Als der Spuk vorbei war, steuerten die Männer erleichtert die Kantine an, um einen Kaffee zu trinken und die weiteren Schritte zu besprechen.
«Wie geht es Navideh?», erkundigte sich Degert, als sie sich an einen freien Platz am Fenster setzten.
«Schon besser», erklärte Steenhoff. «Sie hat bei dem Sturz eine Gehirnerschütterung erlitten und wird die nächsten Tage wohl ausfallen.»
«Ich werde dir jemanden an die Seite stellen. Du kannst ja nicht allein weiterarbeiten, wenn Block und Wessel in Berlin sind», versprach Tewes.
Doch Steenhoff lehnte dankend ab. Jeder neue Kollege müsste sich erst mal in den Fall einarbeiten. Bis er auf dem aktuellen Stand wäre, wären Wessel und Block längst wieder zurück.
«Es sei denn, Petersen überlegt es sich nochmal anders», sagte Degert und grinste breit. Steenhoff folgte seinem Blick. Auf dem Parkplatz vor der Kantine hatte ein Taxi gehalten, und eine schlanke Frau mit langen dunklen Haaren stieg aus. Sie ging um das Fahrzeug herum, beugte sich zu dem Fahrer hinunter und verabschiedete sich herzlich. Ohne zu zahlen, ging sie mit eiligen Schritten in Richtung Dienstgebäude.
«Verdammt. Was macht sie hier?» Steenhoff sprang auf. Er starrte fassungslos aus dem Fenster. «Die Ärzte haben ausdrücklich gesagt, sie solle sich unbedingt Ruhe gönnen.»
Tewes zuckte gleichmütig die Schultern. «Du weißt doch, wie sie ist, Frank.»
Steenhoff haute mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass sich einige Beamte in der Kantine erstaunt nach ihnen umdrehten. Dann griff er seine Jacke, klopfte Degert im Vorbeigehen zum Abschied auf die Schulter und eilte Petersen nach.
«Ist sicherlich nicht immer leicht», sagte Degert und nahm sich Steenhoffs Kaffeebecher.
«Du meinst mit Navideh?», fragte Tewes.
«Ich meine mit Frank und Navideh. Wundert mich, dass das so lange gutging. Ich weiß nicht, wer von den beiden den größeren Dickschädel hat.»
Im Treppenhaus holte Steenhoff Navideh ein. Ohne Gruß herrschte er sie an: «Was soll das? Warum bist du schon wieder im Dienst?»
«Das frage ich mich allerdings auch bei dieser Art von Begrüßung», entgegnete sie scharf.
«Der Notarzt hat gestern gesagt, dass du mindestens 24 Stunden unter Beobachtung bleiben sollst. Jetzt ist gerade die Hälfte der Zeit rum.»
«Mir geht es prima. Also beruhige dich.» Sie stockte. «Außerdem habe ich nachgedacht. Wir müssen reden.»
«Du meinst …»
«Ja.»
Steenhoff holte tief Luft. Er setzte gerade zu einer Entgegnung an, als sie eilige Schritte auf der Treppe hörten. Im nächsten Moment stand Barbara Stockert von der Daktyloskopie vor ihnen. «Ach, hier seid ihr! Ich hatte befürchtet, ihr wäret noch in der Pressekonferenz.»
Keiner der beiden sagte etwas.
«Wollt ihr gar nicht wissen, was ich gefunden habe?» Die Biologin sah sie irritiert an.
«Was hast du gefunden, Barbara?», fragte Steenhoff beherrscht.
«Jemand hatte doch das breite Gummiband um den Stapel Briefe zerrissen. Daran haben wir einen kleinen Rest Fremdmaterial gefunden», erklärte sie stolz.
«Was für Briefe?», fragten Petersen und Steenhoff gleichzeitig.
Barbara Stockert schaute verwundert von einem zumanderen: «Na, in dem aufgebrochenen Spind des Opfers. In der Schule!»
Durch Steenhoff ging ein Ruck. Das begonnene Gespräch mit Navideh war vergessen. «Los, sag schon. Wer hat den Schrank aufgebrochen?»
Barbara Stockert ließ sich einen Moment Zeit, dann sagte sie triumphierend: «Roman Rodewaldt.»
19
Steenhoff wollte gerade klingeln, als ihm Cornelia Rodewaldt schon die Tür öffnete. Romans Mutter wirkte sehr angespannt.
«Wenn es nach meinem Mann und mir ginge, würde ich Sie nicht mehr ins Haus lassen», begrüßte sie die beiden Beamten mit kaum unterdrückter Ablehnung. «Aber Roman hat mir das Versprechen abgenommen, dass ich Sie kurz zu ihm lasse. Unser Anwalt wird sich übrigens noch heute mit Ihnen in Verbindung setzen.» Sie trat zurück und bedeutete den Polizisten, die Treppe zum Zimmer ihres Sohnes hinaufzugehen.
Petersen warf Steenhoff einen Blick zu.
«Frau Rodewaldt, wir werden Ihren Sohn zur Vernehmung mit aufs Präsidium nehmen», sagte Steenhoff ernst.
Die Gesichtszüge der Frau verhärteten sich. «Das werden Sie nicht tun. Roman ist krank. Unser Hausarzt wird jede Minute eintreffen. Roman liegt mit hohem Fieber im Bett. Schauen Sie aufs Thermometer, oder messen Sie selbst nach. Aber Sie dürfen ihn nicht
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