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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Verein. Es sind gute Arbeiter darunter und brave Kirchgänger.
    Die Eltern haben den Namen geändert, sagte ich, gleich, als sie gekommen sind. White ist die englische Übersetzung des Namens Weiss.
    Weiss? sagte sie. Etwas in der Richtung hat Jack gleich geahnt, fuhr sie dann fort. Oh je, er denkt, Henry muß Jude sein.
    Ich konnte unmöglich den Ahnungslosen spielen. Also nickte ich munter und sagte, Mr. Standish habe richtig geraten.
    Oh je, sagte sie. Da kann man natürlich nichts machen. Er ist ein sehr netter junger Mann.
    Und sehr begabt, warf ich ein.
    Sie lächelte sanft und fuhr fort. Heutzutage gibt es viele davon in Harvard. Sagt Jack. Sie sind sogar in Groton. Das hat einige Alumni verärgert, zum Beispiel Cousin Hoyt, diesen schrecklichen Menschen. Ein Glück für uns, daß er sich entschieden hat, in Tucson zu wohnen. Wir brauchen ihn nie mehr einzuladen. Oh je! Henrys Familie muß auch sehr nett sein. Er ist so wohlerzogen.
    Eine ausführlichere Diskussion des Themas mußte auf später verschoben werden, denn Henry kam von der Tanzfläche an unseren Tisch zurück und brachte Margot mit.

VIII
    Kurz vor Mitternacht ließ der Präsident des Clubs die Band einen Tusch blasen, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, und brachte dann einen Toast aus auf unsere tapferen Soldaten, die sich gegen die chinesischen Angriffswellen behaupteten, und auf General MacArthur, unter dem zu dienen ihm eine Ehre gewesen sei. Jemand rief zu einer Schweigeminute auf, anschließend intonierte die Band »The Star-Spangled Banner«, und wir alle sangen. Einige Leute weinten. Die Band ging über zu »Some Enchanted Evening«, und man tanzte, bis die Zeit für Trillerpfeifen, andere Krachmacher, gute Wünsche und Umarmungen kam. Die Band spielte unermüdlich »Auld Lang Syne« und dann wieder und wieder »Greensleeves«. Mr. und Mrs. Standish begannen mit ihrem Aufbruch. Als ich ihnen meinen Dank sagte, lud Mrs. Standish mich zum Lunch ein. Um ein Uhr, wie immer an Neujahr, präzisierte sie. Oh je, die Zeiten sind schwer für unsere Nation, aber wir müssen tapfer bleiben. Es wäre zu deprimierend, das Essen ausfallen zu lassen. Und dann fügte sie hinzu: Du mußt wirklich aufhören, mich Mrs. Standish zu nennen. Ich bin May. Wenn du willst, kannst du zu Jack Cousin Jack sagen, aber lieber wäre ihm Jack, tout court. Das hat er mir erklärt. Dann bot sie mir die Wange zum Kuß. Mr. Standish streckte mir die Hand entgegen und sagte, ganz recht. Hör auf la patronne . Einfach Jack! Alles Gute für deine Eltern. Erzähl deinem alten Herrn von dem Toast. Er wird mit Freude hören, daß wir auf unsere Jungen in Uniform angestoßen haben.
    Die Tanzfläche war noch voller Paare. George und Henry tanzten, Henry mit Margot und George mit einem Mädchen, das ich nicht kannte, offenbar niemand aus den Berkshires. Plötzlich war ich sehr müde und hatte keine Lust, das Ende des Tanzes abzuwarten, also fing ich einen Blick von George auf, winkte ihm zum Abschied und fuhr heim. Meine Eltern waren noch nicht wieder da, als ich zu Bett ging, und als ich am nächsten Morgen herunterkam, waren sie noch in ihrem Zimmer. Beweisstücke für ihre Heimkehr waren jedoch reichlich vorhanden. Alle möglichen Kleidungsstücke lagen auf dem Dielenfußboden und im Wohnzimmer herum, und die Höschen meiner Mutter baumelten am Treppengeländer. Auf dem Küchentisch fand ich die Reste einer Mahlzeit, die sie offenbar spät in der Nacht zu sich genommen hatten. Mein Vater glaubte fest, daß Käse und Wurst, unmittelbar vor dem Zubettgehen verzehrt, ein Linderungsmittel gegen den Kater am nächsten Morgen seien. Der Anblick und Geruch des Zeugs verdarb mir den Appetit auf ein Frühstück, aber ich kratzte die Essensreste von ihren Tellern und räumte das übrige in den Kühlschrank. Der Oldsmobile meines Vaters stand in der Einfahrt. Bis in die Garage hatte er es nicht geschafft, aber wenigstens hatte er den Wagen nicht zu Schrott gefahren. Der Zündschlüssel steckte. Trotz der bitteren Kälte sprang der Motor beim dritten oder vierten Versuch an. Ich ließ ihn ungefähr zehn Minuten warmlaufen und fuhr das Auto dann rückwärts in die Garage. Das war meine zweite gute Tat für den Tag. Ich kritzelte eine Notiz für meine Mutter, daß ich ihren Kombi nähme, und fuhr, weil mir kein Frühstückscafé einfiel, das offen war, zum Drugstore in West Lee, um mir einen Kaffee und Toast zu kaufen. Ich wollte nicht zu früh oder mit leerem Magen bei den Standishs

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