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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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Juden in dieser Gegend zu registrieren und sie aus dem Küstengebiet am Mittelmeer auszuweisen. 22 000 Juden wurden tatsächlich festgenommen und ins Innere der italienischen Zone gebracht – mit dem Erfolg, laut Reitlinger, daß »etwa tausend der ärmsten Juden ›in den besten Hotels in Isère und Savoyen‹ lebten«. Nun schickte Eichmann einen seiner härtesten Leute, Alois Brunner, nach Nizza und Marseille, doch bei dessen Ankunft hatte die französische Polizei schon alle Listen der registrierten Juden vernichtet. Im Herbst 1943, als Italien Deutschland den Krieg erklärte, konnte die deutsche Armee endlich in Nizza einrücken, und Eichmann selber eilte zur Côte d’Azur. Dort wurde ihm gesagt – und er hat es tatsächlich geglaubt –, daß 10 000 bis 15 000 Juden sich in Monaco verborgen hielten (in diesem winzigen Fürstentum mit seinen rund 25 000 Einwohnern), was das RSHA veranlaßte, eine Art Forschungsprogramm einzuleiten. Es klingt wie ein typisch italienischer Witz. Die Juden waren jedenfalls längst nicht mehr dort; sie waren nach Italien selbst weitergeflohen, und diejenigen, die sich noch in den umliegenden Bergen versteckt hielten, fanden den Weg nach der Schweiz oder nach Spanien. Als die Italiener ihre Zone in Jugoslawien aufgeben mußten, passierte das gleiche; die Juden zogen mit der italienischen Armee ab und fanden Zuflucht in Fiume.
    Selbst Italiens ernsthafteste Bemühungen, sich dem mächtigen Freund und Verbündeten anzupassen, entbehrten nicht der Komik. Als Mussolini unter deutschem Druck in den späten dreißiger Jahren antijüdische Gesetze einführte, sah er darin die üblichen Ausnahmen vor – Kriegsveteranen, hoch dekorierte Juden, »Verdienstjuden« und dergleichen –, aber er fügte noch eine Kategorie hinzu, nämlich ehemalige Mitglieder der Faschistischen Partei einschließlich ihrer Eltern und Großeltern, ihrer Geschwister, Frauen, Kinder und Enkel. Meines Wissens existieren über diese Angelegenheit keine Statistiken, doch muß infolge dieser Klausel die große Mehrheit der italienischen Juden zu den Ausnahmekategorien gehört haben. Es kann kaum eine jüdische Familie ohne wenigstens einen Angehörigen in der Faschistischen Partei gegeben haben, denn als die antijüdischen Gesetze erlassen wurden, waren Juden, wie andere Italiener, bereits zwanzig Jahre lang der faschistischen Bewegung zugeströmt; staatliche Stellen standen nur Parteimitgliedern offen. Und die wenigen Juden, die prinzipiell gegen den Faschismus waren, in erster Linie Sozialisten und Kommunisten, waren nicht mehr im Lande. Sogar überzeugte italienische Antisemiten konnten die Sache scheinbar nicht recht ernst nehmen. Roberto Farinacci z. B., der Führer der antisemitischen Bewegung in Italien, beschäftigte einen jüdischen Sekretär. Freilich kamen solche Dinge auch in Deutschland vor; Eichmann erwähnte, daß es sogar unter den gewöhnlichen SS-Leuten Juden gab, und es gibt keinen Grund, ihm das nicht zu glauben; doch die jüdische Abstammung von Leuten wie Heydrich, Milch und anderen war eine streng geheime Angelegenheit, nur einer Handvoll Menschen bekannt, während dergleichen in Italien ganz offen und eben ganz unschuldig behandelt wurde. Dieses Rätsel war nicht schwer zu entschlüsseln – Italien war eines der wenigen Länder in Europa, wo alle antijüdischen Maßnahmen wirklich unpopulär waren, weil sie, wie es Ciano ausdrückte, »ein Problem aufwarfen, das glücklicherweise nicht existierte«.
    Assimilation, dieses oft mißbrauchte, ideologisch so belastete Wort, war einfach eine Tatsache in Italien, das eine Gemeinde von nicht mehr als 50 000 einheimischen Juden besaß, deren Geschichte bis in die Jahrhunderte des Römischen Imperiums zurückreicht. In Italien war Assimilation Keine Form der Lebenslüge, keine Sache, an die man zu glauben oder für die man sich einzusetzen hatte, wie in allen deutschsprachigen Ländern, noch war sie ein Mythos und offenkundiger Selbstbetrug wie vornehmlich in Frankreich. Der italienische Faschismus, um es an »rücksichtsloser Härte« nicht fehlen zu lassen, hatte vor Ausbruch des Krieges die ausländischen und staatenlosen Juden im Lande loszuwerden versucht. Das war kein großer Erfolg geworden wegen allgemein mangelnder Bereitschaft zum »harten Durchgreifen« bei den unteren italienischen Beamten, und als das Ganze dann zu einer Sache von Leben und Tod wurde, berief man sich auf die italienische Souveränität und weigerte sich einfach, selbst

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