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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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den Krieg überlebten. Wenn es hart auf hart kam, verfügten die Nazis, wie sich zeigte, weder über genug Personal noch über die entsprechende Willenskraft, um »hart« zu bleiben. Gerade bei den Leuten in der Gestapo und der SS paarte sich Rücksichtslosigkeit keineswegs mit Härte; auch die Rücksichtslosesten unter ihnen zeigten eine erstaunliche Neigung umzufallen, sobald sie mit entschlossenem Widerstand konfrontiert waren.
    Auf der Berliner Sitzung in Eichmanns Büro im Juni 1942 wurden für sofortige Deportationen aus Belgien und den Niederlanden ziemlich niedrige Zahlen vorgesehen, wahrscheinlich wegen der hoch angesetzten Ziffer für Frankreich. Nur 10 000 Juden aus Belgien und 15 000 aus Holland sollten in den nächsten Monaten verhaftet und deportiert werden. In beiden Fällen wurden die Zahlen später bedeutend erhöht, wahrscheinlich wegen der bei der französischen Operation auftretenden Schwierigkeiten. In BELGIEN hatte man es mit besonderen Umständen zu tun. Das Land wurde ausschließlich durch deutsche Wehrmachtsstellen regiert, und die Polizei hatte, nach einem Bericht der belgischen Regierung an das Jerusalemer Gericht, »nicht den gleichen Einfluß auf die übrigen deutschen Verwaltungsstellen, den sie in anderen Gegenden ausübte«. (Der Befehlshaber in Belgien, General Alexander von Falkenhausen, war später an der Verschwörung vom 20. Juli 1944 beteiligt.) Einheimische Kollaborateure waren nur in Flandern von Bedeutung; unter den französisch sprechenden Wallonen hatte die von Degrelle geführte faschistische Bewegung wenig Einfluß. Die belgische Polizei hat mit den Deutschen nicht kooperiert, und auf die belgischen Eisenbahner war so wenig Verlaß, daß sie sich sogar an die Deportationszüge heranwagten. Zugtüren blieben mit ihrer Hilfe unverschlossen, oder sie arrangierten Zwischenfälle, um Juden zur Flucht zu verhelfen. Höchst eigenartig war auch die Zusammensetzung der jüdischen Bevölkerung. Vor Ausbruch des Krieges hatte es 90 000 Juden gegeben, darunter etwa 30 000 Flüchtlinge aus Deutschland, während weitere 50 000 aus anderen europäischen Ländern stammten. Gegen Ende 1940 waren fast 40 000 aus Belgien geflohen, und unter den 50 000, die zurückblieben, gab es höchstens 5000 gebürtige Belgier. Zudem waren unter den aus dem Lande Geflohenen alle wichtigeren jüdischen Führer, von denen die meisten ohnedies Ausländer gewesen waren, und dem belgischen Judenrat fehlte es an Autorität unter den einheimischen Juden. Bei diesem »Mangel an Verständnis« von allen Seiten überrascht es nicht, daß nur eine Handvoll belgischer Juden je deportiert worden ist. Frisch naturalisierte und staatenlose Juden jedoch – tschechischer, polnischer, russischer und deutscher Herkunft, viele von ihnen erst seit kurzem im Lande – waren in dem kleinen, völlig industrialisierten Land leicht zu erkennen, und es war höchst schwierig, sie zu verbergen. Bis Ende 1942 sind 15 000 nach Auschwitz transportiert worden, und im Herbst 1944, als die Alliierten das Land befreiten, waren insgesamt 25 000 ermordet worden. Eichmann hatte zwar auch in Belgien seinen üblichen Judenreferenten, doch allzu aktiv scheint der Berater bei diesen Operationen nicht gewesen zu sein, die schließlich unter zunehmendem Druck des Auswärtigen Amts von der Militärverwaltung in die Hand genommen wurden.
    Wie in praktisch allen anderen Ländern begannen die Deportationen aus HOLLAND mit staatenlosen Juden, in diesem Fall fast ausschließlich Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, die die holländische Vorkriegsregierung offiziell als »unerwünscht« bezeichnet hatte. (Auch die holländische Exilregierung in London hat sich offenbar während des Krieges um das Schicksal ihrer jüdischen Untertanen nicht allzuviel gekümmert. Siehe den sehr instruktiven Bericht von Louis de Jong in »On the Track of Tyrants«, hrsg. von Max Beloff, Wiener Library, London.)
    Alles in allem gab es 15 000 ausländische Juden in einer jüdischen Bevölkerungsgruppe von insgesamt 140 000. Im Unterschied zu Belgien wurde Holland einer Zivilverwaltung unterstellt, im Unterschied zu Frankreich wiederum besaß das Land keine eigene Regierung, da das Kabinett, einschließlich der königlichen Familie, nach London geflohen war. So war das kleine Land den Deutschen und der SS völlig ausgeliefert. Eichmanns »Berater« in Holland war ein gewisser Sturmbannführer Willi Zöpf (vor einiger Zeit in Deutschland verhaftet, während der

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