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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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eingeschlafenen Füßen, mein Lieber«, knurrt der Chefredakteur und schüttelt den Kopf. Sein Blick schweift über die anwesenden Köpfe und bleibt an Maria Teske hängen, die mit geschlossenen Augen auf ihrem Stuhl hängt. »Hallo, Maria, bist du ausgebrannt oder hast du irgendein Eisen im Feuer?«
    Als die Journalistin ihren Namen vernimmt, klappen ihre Lider auf und wie ferngesteuert tritt ein Satz aus ihrem Mund: »Du sollst nicht begehren, was deines Nächsten ist!«
    »Muss ich das jetzt verstehen«, fragt Think Big mit süffisanter Stimme, »oder lieferst du uns eine passende Erklärung nach, meine Liebe?«
    »Es geht um Organtransplantationen«, erklärt Maria Teske und versucht das leichte Zittern in ihrer Stimme zu überspielen. »Ich hab in der letzten Zeit mit Eltern gesprochen, die die Organe ihrer Töchter und Söhne zur Transplantation freigegeben haben. Viele plagen Schuldgefühle, fühlen sich von den Ärzten überrumpelt.«
    Think Big drückt den Drehstuhl mit den Füßen zurück, als wolle er so schnell wie möglich dem Inhalt des Gesagten entfliehen.
    »Nee doch, Maria!«, stöhnt er auf. »Dein alter Chefredakteur gibt dir einen guten Rat: Finger weg von solchem Unthema! Welcher Mensch liest freiwillig so was Gräuliches? Das verprellt unsere letzte Leserschaft!«
    »Aber könnte es nicht sein, dass wir klammheimlich in einen modernen Kannibalismus hineinschlittern? Früher riss der Mensch seinem Gegner noch das Herz aus der Brust und verspeiste es, um dessen Kraft zu bekommen. Heute wird er auf den OP-Tisch gelegt, betäubt, und seine Organe werden einem anderen einverleibt.«
    »Maria, Maria! Bleib auf dem Teppich!« Die Stimme von Chefredakteur klingt abweisend. »Ich glaube, du verrennst dich da gewaltig. Das ist kein Thema für die Husumer Rundschau. Ende! Ich finde, wir sollten etwas zum Benzinpreis machen. Das brennt den Lesern auf den Nägeln.«
    Hätte ich mir doch gleich denken können, dass ich dem Chef mit diesem Thema viel zu dicht auf die Pelle rücke. Durch seinen Bluthochdruck ist der einfach zu nah dran. Wahrscheinlich geht es ihm grundsätzlich so beschissen, wie mir zurzeit.
    Maria Teske bleibt plötzlich die Luft weg. Schweißperlen sammeln sich auf ihrer Stirn. Die Journalistin zwingt sich mit aller Kraft ruhig zu atmen. Es ist alles in Ordnung, redet sie mit ihrer inneren Stimme auf sich ein, du bekommst schon keinen Herzinfarkt.
    Ist vielleicht gar nicht verkehrt, dass das Thema abgeschmettert wurde. Bei meinem momentanen Zustand ist es sowieso kontraproduktiv.
     
    *
     
    Wilhelm Rösener schaut sich sorgfällig um, ob ihn hier jemand unbemerkt beobachten könnte. Dann tritt der drahtige Mann entschlossen an das Heck des BMW Z3 heran, dessen metallicsilberner Lack den Glanz von Reichtum verströmt. Er kniet sich hin, befestigt mit schnellen Handgriffen den kleinen Thermosensor aus Messing am Auspuffrohr und platziert die Magnetplatte mit dem Peilsender direkt daneben. Ein einfaches Prinzip: Hat die Außenwand des Rohrs eine bestimmte Temperatur erreicht, beginnt der Sender automatisch zu arbeiten und stellt sich ab, wenn das Rohr wieder auskühlt. Dadurch hält der Akku wesentlich länger. Die Installation hat keine Minute gedauert. Rösener schlendert gelassen zu seinem Wagen zurück und klemmt sich hinters Steuer. Er überprüft noch einmal die durchsichtigen Plastikstreifen mit den sieben dünnen Kupferlitzen, die er innen an die Windschutzscheibe und an den beiden Seitenfenstern befestigt hat. Die Verbindungsdrähte führen an den Streben hinunter zu einem kleinen Kasten, seinem Peilempfänger. Im Gerät befinden sich ein Verstärker und mehrere Komparatoren, die alle Signale, die ankommen, miteinander vergleichen und an drei Leuchtdioden weiterleiten. Leuchtet die mittlere Diode auf, fährt der angepeilte Wagen direkt vor ihm. Linke Diode, der Wagen bewegt sich nach links, rechte Diode, er bewegt sich nach rechts.
     
    Den Auftrag für diese Aktion hatte Rösener vom Inhaber einer Husumer Maschinenbaufirma bekommen, die spezielle Fischbearbeitungsmaschinen für die Heringsentgrätung und Enthäutung von Dorsch und Kabeljau konstruiert. Einer seiner Ingenieure war dem Firmenbesitzer unlängst aufgefallen. Der hatte seinen Lebensstandard auffällig in die Höhe geschraubt, einen teuren Sportwagen gekauft und war in ein nagelneues Eigenheim gezogen. Das konnte dieser Mitarbeiter unmöglich alles von seinem Gehalt als Konstrukteur bestritten haben. Der Firmenchef hatte

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