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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Dunst hängt über der Halbinsel Eiderstedt, die Landschaft an der Küste liegt farblos zu beiden Seiten der Straße. Auf einer Wiese kurz vor St. Peter Ording rastet eine Schar Graugänse. Die Vögel mit dem weißen quer gebänderten Gefieder stehen dicht zusammengedrängt und bewegungslos auf einer Wiese, als wollten sie hier dem kommenden Winter trotzen, helle Tupfer aufs dunkle Grün gesprenkelt.
    Die scheinen sich den Flug in den Süden zu schenken, denkt Swensen, während er mit Rudolf Jacobsen und Heinz Püchel im Wagen das Ortsschild Ording passiert. Über der Küste stehen einzelne Ambosswolken, schwarze Inseln an den grauen Himmel geklebt, aus denen Regenfäden, zu breiten Streifen gebündelt, bis auf die Erde herabhängen. Gleich vor dem Außendeich und dem, um diese Jahreszeit verwaisten Einkaufsladen, steht die kleine Kirche St. Nicolai. Der Backsteinbau ist so unscheinbar, dass er von den Touristenströmen im Sommer kaum wahrgenommen wird. Auch Swensen wäre beinahe vorbeigefahren. Er muss eine kurze Strecke zurücksetzen, um auf den Parkplatz zu biegen. Mehrere Streifenwagen, Dienstwagen und der silbergraue Mercedes vom Polizeiarzt Michael Lade nehmen bereits den gesamten Platz ein. Mielkes Twingo steht quer dahinter. Der Hauptkommissar steuert den Dienstwagen in die letzte Lücke hinter das Wagenheck des Doktors. An einem Gebüsch, rechts vor dem Kirchlein steht eine nach vorn gebeugte junge Frau, von zwei Streifenbeamten gestützt, die sich mit beiden Händen die Magengegend hält.
    »Können wir helfen?«, ruft Swensen hinüber.
    »Der jungen Frau ist nur schlecht geworden«, meldet der eine Polizist zurück. »Der Doktor wird sich gleich um sie kümmern.«
    »Eine kotzende Frau vor dem Eingang«, flüstert der Polizeirat leise und hält schon ungeduldig eine Zigarette in der Hand. »Da können wir uns auf einen besonders ekelhaften Anblick gefasst machen!«
    Unter dem grauen Betonvordach am Eingang stehen Silvia Haman und Stephan Mielke.
    »Der Doc ist schon drin und wartet, dass Hollmann und seine Truppe ihn an die Leiche lassen«, informiert Mielke die Ankömmlinge von Weitem.
    »War von euch schon jemand drin?«, fragt Püchel.
    »Nein, ich reiß mich auch nicht drum«, sagt Silvia Haman. »Das Schwein hat das Opfer da drinnen auf bestalische Weise zugerichtet, hat die Zeugin gesagt, die Frau, die sich drüben am Gebüsch die Seele aus dem Leib kotzt. Der Bauch der Toten soll aufgeschnitten sein und das Gedärm heraushängen, hat sie gesagt. Die stand schon hier draußen bei den Streifenbeamten, als Stephan und ich angekommen sind. Die ist völlig fertig, richtig grün im Gesicht!«
    »Ist es die vermisste Lene Ebsen?«, fragt Swensen.
    »Keine Ahnung«, antwortet Mielke, »wir durften noch nicht rein.«
    »Was soll denn so ein Blödsinn?«, bellt Püchel um sich und zieht an der Zigarette. »Natürlich können wir jederzeit einen Blick auf die Tote werfen! Los, Jan, geh rein und schau dir den Schlamassel an!«
    Der Hauptkommissar hört zwar die Aufforderung des Polizeirats, spürt aber eine starke Abwehr, ihr sofort nachzukommen.
    »Was ist? Hast du jetzt schon die Hosen voll?«, stichelt Püchel, der Swensens Schwachpunkt genaustens kennt.
    Ohne ein Wort drückt Swensen die Türklinke runter und tritt in die Kirche. Drinnen blendet ihn das grelle Licht aus zwei Scheinwerfern, das den vorderen Teil beim Altar flutet. Unwillkürlich kneift der Hauptkommissar die Augen zu Schlitzen zusammen und richtet seinen Blick nach oben. Die Decke besteht aus einem hölzernen Tonnengewölbe, dessen rundbogige Bretter blau gestrichen und mit Sternen, Wolken, Engeln und zwei Männern bemalt sind.
    Eine Bewegung lenkt den Blick des Hauptkommissars in den hinteren Raum des Kirchenschiffs, dort steht Peter Hollmann im weißen Overall vor der geschnitzten Kanzel und winkt Swensen heran. Der geht über eine lange Vliesmatte, die zwischen den Holzbänken ausgerollt wurde, auf den Chef der Spurensicherung zu. Seine Männer packen gerade ihre Alukoffer zusammen.
    »Der Doktor ist jetzt bei der Toten«, sagt Hollmann, der mit seinem Schnauzer unter der weißen Kapuze einem verwaisten Heuler gleicht. »Brauchbare Spuren kann man hier sowieso so gut wie vergessen.«
    Das Blattgold des Schnitzaltars wirft im Lampenlicht einen sakralen Glanz auf die Haut der nackten Leiche, die rücklings ausgestreckt auf einer schwarzen Plastikplane liegt. Michael Lade kniet davor und betastet den Kiefer. Ein tiefer klaffender Schnitt

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