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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Kugel durch seine Schallwellen wie aus einer Kanone abgefeuert werden. Die Augen verfolgen das Geschoss, das unter dem Gejohle der Witzworter Mannschaft in einem Halbbogen durch das Blau des Himmels schnellt.
    »88 Meter!«, ruft die Stimme des Kampfrichters herüber.
    »88 Meter! Jan, das war hohe Boßelschule, mein Lieber«, jubelt Claus Ovens. »Jetzt können die ›Kugelblitze‹ aus Tönning einpacken, das ist mal klar!«
    »Ihr könnt nach Hause fahrn, ihr könnt nach Hause fahrn«, schallt der Kampfgesang aus den Kehlen der Witzworter. Die Vereinsflagge mit der Aufschrift ›Flott weg‹ wird wild geschwenkt und Anna Diete, die mit mehren Frauen die Wettkämpfer unterstützt, hebt demonstrativ den Daumen und eilt zu Jan hinüber. Sie fallen sich in die Arme und hüpfen übermütig auf und ab. In der Zwischenzeit steht Harm Best, der beste Werfer der Tönninger, am Abwurfpunkt. Er läuft kraftvoll an und schleudert mit einer gekonnten Drehung um die Achse die Kloot in Richtung Bahnwieser. Doch die Kugel fliegt etwas zu früh aus seiner Hand. Sie driftet, begleitet von einem lang gezogenem »Scheiiiißßeee« der Tönninger Mannschaft, im hohen Bogen nach rechts und versenkt sich im Schilf eines Grabens.
    »Mensch, Harm, was war das denn?«
    »Kacke! Nicht richtig hochgekommen!«, hadert Best lauthals. »Die Schulter zu wenig rumgedrückt. Die Kloot ist mir praktisch über das Handgelenk gerutscht.«
    Wenig später wühlen die Tönninger Kugelblitze im Schilf nach der Kugel. Es wird sogar ein kleiner Metalldetektor eingesetzt. Doch die Kloot scheint unauffindbar.
    »So! Jetzt setzen wir ein Schot auf die Boßelrolle«, knurrt der Kampfrichter und trägt die Punkte ins Buch ein, das er in der Hand hält. »Das ist mir jetzt egal!«
    Witzwort führt im Moment mit zwei Schot. Swensen, der Boßel-Neuling, ist plötzlich der Held des Tages, dabei hatte er sich nur widerwillig für das heutige Turnier rekrutieren lassen.
    »Du bist unsere letzte Rettung, Jan!«, wurde er vor drei Tagen von Peter Lührs am Telefon beschworen. »Heiner hat sich den Fuß verstaucht. Es gibt keine Ausrede! Du musst unbedingt antreten, sonst bekommen wir unsere Mannschaft nicht zusammen.«
    Der Hauptkommissar hängt noch seinen Gedanken nach, da drückt ihn Claus Ovens ein Glas mit Apfelkorn in die Hand: »Auf dich, Jan! Und auf unseren heutigen Sieg!«
    Swensen schluckt die gelbliche Flüssigkeit in einem Zug hinunter und genießt die wärmende Welle, die aus dem Magen aufsteigt. Danach wartet er auf eine günstige Gelegenheit, um einen Moment mit sich allein zu sein.
    Die Vorstellung, der gesuchte Täter könnte in einem der Autos sitzen, die gerade auf der Bundesstraße, keine 200 Meter entfernt, an ihrer Spielwiese entlangfahren, gibt dem ganzen Treiben um ihn herum etwas Groteskes.
    Was mach ich hier eigentlich, grübelt der Hauptkommissar und will den Gedanken sofort wieder beiseiteschieben, doch der klammert sich hartnäckig an seine Stirn, flüstert provozierende Worte über den Unsinn solcher Männerveranstaltungen und schickt ihm das schabende Geräusch der Scheibenwischer in seine Ohren, das durch die Frontscheibe des Dienstwagens dringt.
    Swensen sieht sich den Wischer anschalten und das poröse Gummi beginnt schmierige Schlieren über die Scheibe zu ziehen, die erst mit einigen Spritzern aus der Scheibenwaschanlage verschwinden. Der Tatort der Ordinger Kirche verschwindet hinter ihnen im Regenschauer und die Fahrt geht ein kurzes Stück am Seedeich entlang. Auf der anderen Straßenseite reihen sich die Ferienhäuser von Ording, die verwaist auf den nächsten Touristenansturm warten. Mit einer leichten Linkskurve erreichen die beiden Beamten den Strandweg, an dem sich die mit Kiefern durchwachsene Dünenlandschaft entlangzieht. An der Kreuzung Café Köm beginnt die Waldstraße. 600 Meter danach biegt Swensen links in die Friesenstraße ein und hält gegenüber von einem quadratischen Backsteinhaus mit blau glasierten Dachziegeln. ›Ferienwohnung zu vermieten‹ kündigt ein Holzschild im Vorgarten an.
    »Wer macht den Job, der Hauptkommissar?«, fragt Jacobsen verhalten, während sie beide aus dem Wagen klettern und zur Gartenpforte hinübergehen.
    »Ich mach das schon«, sagt Swensen.
    Der Oberkommissar ist sichtlich erleichtert, wartet, dass Swensen die Pforte öffnet und reiht sich hinter ihm ein. Im selben Moment geht die Haustür auf. Der Mann, der im Rahmen steht, hat ein blasses Gesicht mit dunklen Augenrändern. Das

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