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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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aus dem Friesischen übersetzt: Feuerzeichen.«
    Der Redner hat seine nicht enden wollende Einführung hinter sich gebracht und gibt das Handzeichen, die brennenden Fackeln in die Biike zu werfen. Die ersten Flammen fressen sich durch das aufgeschichtete Holz, zuerst noch vereinzelt, dann lodert der ganze Stapel und das Feuer richtet sich rasend schnell zu einer züngelnden, lichtgetränkten Wand auf. Ein lang gezogenes »Oooohh!« tönt aus Hunderten Kehlen. Der Höhepunkt ist erreicht, das Feuer erfasst die Strohpuppe, in einem explosionsartigen Zischen verbrennt sie zu Asche.
    »Ich kann nur sagen, von vorn werde ich hier fachgerecht geröstet«, kommentiert Swensen das Geschehen trocken, »und von hinten werde ich gleichzeitig schockgefroren.«
    »Wir sollten uns langsam zum Grünkohlessen ins Festzelt absetzen«, schlägt Anna vor und zieht Swensen am Arm mit sich fort. Der Hauptkommissar hätte sich lieber gleich nach Hause abgesetzt.
     
    »Freude bedeutet, die Augen für die gesamte Situation offen zu halten«, mahnen ihn die Worte von Meister Rinpoche. »Für den Buddha gibt es keinen Grund, sich nicht gegen die Konvention aufzulehnen. Aber trotzdem bleibt er tief in den Überlieferungen seiner Gesellschaft verwurzelt. Er braucht die Tradition als Anregung, um sich aus ihr zu befreien.«
     
    In circa 200 Metern Entfernung ist ein riesiges Festzelt auf die Wiese gestellt worden. Der Eingang wird von einer Menschentraube blockiert. Schon von Weitem duftet es verführerisch nach Bratkartoffeln, Kochwurst und Kassler. Für einen vegetarischen Hauptkommissar riecht es hier allerdings mehr nach einem fleischgewordenen Albtraum.
    »Du kannst mir deine Kochwurst und das Stück Kassler geben«, sagt Anna mit Blick auf die finstere Miene, die sich auf Swensens Gesicht abzeichnet. »Ich sorge schon dafür, dass dein Seelenheil weitgehend unbeschadet bleibt, mein Liebster.«
    »Wo willst du denn mit den Unmengen Fleisch hin?«, fragt Swensen ungläubig.
    »Hörst du nicht meinen Magen knurren?«
    »Das ist meiner Achtsamkeit entgangen, aber vielleicht könnten wir uns das Essen ja auch tei…«
    »…’schuldigung«, unterbricht ihn Anna und deutet auf einen Mann im schwarzen Mantel und Fellmütze, »aber da vorne steht gerade Pastor Claßen. Der ist für die Gemeinden Witzwort und Uelvesbüll zuständig. Komm ich stell ihn dir kurz vor, Jan.«
    »Woher kennst du denn den Pastor von Witzwort? Solange wir zusammen sind, sind wir höchstens mal am Weihnachtsabend in die Kirche gegangen, und auch nur, weil deine Mutter das so wollte.«
    »Stimmt, aber ich spreche trotzdem mit Pastoren, wenn es sich zufällig ergibt, mein Lieber. Aber im Ernst, Pastor Claßen und ich verstehen uns sehr gut. Er hat mir schon öfter jemanden geschickt, der eine psychologische Begleitung nötig hatte.«
    »Grüß Gott, Frau Diete, wie geht es Ihnen?«, ruft der Pastor durch das Stimmengewirr, noch bevor Anna ihn erreicht hat.
    »Danke gut, Herr Claßen. Das ist übrigens mein Lebensgefährte Jan Swensen, er ist vor Kurzem zu mir gezogen.«
    »Sie sind also Herr Swensen und Sie sind Kommissar in Husum, wenn ich mich nicht irre?«
    »Die Buschtrommel scheint ja nicht schlecht zu funktionieren, Herr Claßen.«
    »Sagen wir mal, in einer Dorfgemeinschaft wird noch miteinander gesprochen, Herr Swensen.«
    »Und was macht ein Pastor auf diesem … na, eher heidnischen Fest?«
    »Aber, aber, Herr Swensen, ein Gottesmann muss überall sein, wo seine Gemeinde ist. Außerdem ist die wirkliche Bedeutung des Petritages überhaupt nicht richtig geklärt, Herr Kommissar. Die Biikefeuer dienten eine Zeit lang sogar als Abschiedsgruß für die auslaufenden Walfänger. Früher wurde an diesem Tag aber auch Gericht gehalten. Wenn die Feuer brannten, trat der sogenannte Thingrat zusammen. Das Thing stand für die Wahrheit und das Feuer für den Ursprung des Seins. Die meisten unserer Kirchen wurden auf solchen Thingplätzen errichtet.«
    »Dann haben wir ja einen ziemlich ähnlichen Beruf, Herr Pastor. Wenn man so will, suche auch ich täglich nach der Wahrheit.«
    »Nur, dass Sie den Sündern nicht vergeben können, Herr Swensen.«
    »Das ist auch nicht meine Aufgabe, Herr Pastor.«
    Swensen meint zu ahnen, dass Pastor Claßen nun mit dem Jüngsten Gericht kontern wird und legt sich innerlich etwas vom weltlichen Strafvollzug zurecht, als Annas Finger sich in seine Seite bohrt und sie leise »Ist ja gut, Jan« flüstert. Im selben Moment erklingt der

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