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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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von Uelvesbüll. Die Windräder davor drehen sich nicht, es herrscht Windstille. Ein äußerst seltener Moment in dieser Gegend. Hinter der nächsten kleinen Kurve erscheint die alte Windmühle von Osterende. Swensen geht vom Gas und fährt an dem historischen Gebäude vorbei.
    »Da vorn kannst du anhalten«, dirigiert ihn Silvia Haman.
    Kaum hat der Hauptkommissar den Wagen gestoppt, als die Kollegin schon aus der Tür springt und zur Hofeinfahrt des Backsteingebäudes sprintet, um sich einem verrosteten BMW in den Weg zu stellen, der gerade vom Hof fahren will. Mit einer Handbewegung fordert sie den Fahrer auf, den Motor auszumachen und auszusteigen.
    »Kriminalpolizei Husum! Wir haben ein paar Fragen an Sie«, sagt Silvia mit lauter Stimme, als Swensen dazukommt. »Sie sind doch Peter Kirch, oder?«
    »Kommen Sie wegen Andrea? Ich schwöre, ich hab damit nichts zu tun!«
    »Nun mal ganz langsam, Herr Kirch«, sagt Swensen. »Wir haben Sie doch gar nicht beschuldigt.«
    »Da scheint jemand ein schlechtes Gewissen zu haben?«, fährt Silvia Haman dazwischen.
    »Quatsch …«, sagt der Mann zornig, »wir … wir sind doch schon zwei Monate getrennt. Aber die Leute im Dorf gucken bereits, als wenn ich der Mörder wäre!«
    »Wo waren Sie denn gestern Nacht?«, fragt der Hauptkommissar.
    »In der Nachtschicht!«
    »Dann geben Sie mir den Namen eines Kollegen, der das bezeugen kann!«
    »Ich war nicht auf Arbeit. Ich war in der ›Disco Nachtschicht‹ in Husum!«
    »Dann dürften Sie ja zumindest ein gutes Alibi haben«, kontert die Hauptkommissarin. »Wir werden das natürlich nachprüfen, versteht sich.«
     
    *
     
    »Ich möchte gern zu Herrn Kreienbaum«, sagt er mit gedämpfter Stimme zu der jungen Frau hinter dem gewaltigen Empfangstresen. Der matte Glanz der Marmorwände wirft jeden Besucher augenblicklich auf seine Nichtigkeit zurück. Die Blondine hebt ihren Blick über den PC und fragt gelangweilt: »Haben Sie einen Termin?«
    »Ja, wir haben einen Termin um 15 Uhr.«
    »Ihren Personalausweis bitte!«
    Rösener fingert das Dokument aus der Brieftasche. Die Frau wirft einen Blick darauf und reicht ihn zurück.
    »Ich gebe Herrn Kreienbaum Bescheid. Bitte nehmen Sie so lange dort drüben Platz. Es wird Sie gleich jemand abholen.«
    Wilhelm Rösener setzt sich auf die rote Ledercouch. Sie ist alles andere als bequem. An der Wand gegenüber hängt ein riesengroßes Gemälde mit einer knallroten Farbfläche, von der er seinen Blick nicht abwenden kann.
    Sozialistisches Rot, denkt er und beginnt sich zu erinnern, wie er vor zwei Jahren mit dem Zug nach Berlin reiste, mit der U-Bahn nach Lichtenberg fuhr und in die Normannenstraße ging, um sich die ehemalige Stasizentrale von innen anzusehen. Im November 90 ist der Riesenkomplex zum Museum erklärt worden und über die Jahre im Westen war in ihm der Wunsch gewachsen, wenigstens einmal persönlich in Erich Mielkes Büro zu stehen. Trübes Licht fiel durch die Fenster, als er wie Theseus einen Weg durch das Labyrinth des Hauptgebäudes suchte.
    Rösener kann noch die Geräusche hören, die seine Schuhe damals auf dem Linoleum erzeugten. Im zweiten Stock hatte er das ›Allerunheilige‹ dann entdeckt. Das Büro des Ministers für Staatssicherheit war menschenleer, ein mit Parkett ausgelegter geräumiger Raum. Der holzfurnierte Schreibtisch in senfbraun ist nicht besonders groß. Darauf zwei Telefone und die Totenmaske Lenins, gegossen aus weißem Gips. Daneben das Porträt des Begründers der Sowjetunion an der Wand.
    Es war kalt in dem Raum und die Luft verbraucht gewesen. Ihm wurde schlecht im Angesicht der unbeschreiblichen Banalität dieser Wirklichkeit. Plötzlich hatte er die stammelnde Stimme des Stasichefs im Ohr gehabt: ›Ich liebe … ich liebe doch alle … alle Menschen … Na, ich liebe doch … Ich setze mich doch dafür ein.‹
    Die erste und einzige Rede, die er in der Volkskammer gehalten hatte.
     
    »Herr Rösener?«, fragt jemand neben ihm und die Bilder von Mielkes großem Vorzimmer, in dem heute Cafétische für die Besucher stehen, verschwinden wie ein alter Spuk. Ein großer Mann im Nadelstreifenanzug, hellblauem Hemd und mit einem Schlips in dezentem Rosa steht wie eine Eins neben der Sitzgruppe. Er hat blondes, gewelltes Haar und eine jugendliche Erscheinung. Der durchtrainierte, muskulöse Körper scheint auf den ersten Blick nicht zu ihm zu passen.
    »Mein Name ist Drenkhahn, Peter Drenkhahn, ich begleite Sie zu Herrn Kreienbaum, folgen

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