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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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damit wir endlich anfangen, uns gegen diese ständige Schikane zu wehren.«
    »Bist du verrückt«, sagt der Pferdeschwanz entsetzt. »Wenn das Kretschmer erfährt, kommen wir in Teufels Küche, Dorit!«
    »Willst du kneifen, bevor es überhaupt losgeht?«
    »Ich brauch den Job, ich kann nicht so einfach riskieren, dass die mich feuern!«
    »Denk mal nach, Tina! Ein Betriebsrat ist unkündbar, das gilt selbst für Libo. Und wenn wir erst einen haben, kann der uns alle hier sehr gut vor Entlassungen schützen!«
    »Und wer soll das machen?«
    »Ich natürlich! Und ich versprech dir, wenn ihr alle mitzieht, mach ich dem Kretschmer Feuer unterm Arsch!«
     
    Das Telefon klingelt, Rösener greift automatisch zum Hörer und stoppt mit der anderen Hand den Rekorder.
    »Media Personal-Information!«, meldet er sich.
    »Drenkhahn hier, spreche ich mit Wilhelm Rösener?«
    »Am Apparat, Herr Drenkhahn. Ich grüße Sie, was kann ich für Sie tun?«
    »Ich möchte Ihnen nur den morgigen Treffpunkt durchgeben. Ich bin Punkt 17.30 Uhr am Stuhlmannbrunnen in Hamburg-Altona, Platz der Republik. Alles Weitere besprechen wir unter vier Augen. Bis Morgen, Herr Rösener!«
    »Geht in Ordnung, Herr Drenkhahn. Auf Wiederhören!«
     
    *
     
    Maria Teske hat das Schiebdach von ihrem Smart City Coupé aufgezogen. Der Himmel ist wolkenlos blau und für einen Apriltag ist es viel zu warm. 22 Grad bestätigt der Radiosprecher ihr Gefühl während der Fahrt über die Autobahn. Die Journalistin hängt mal wieder der Zeit hinterher, spürt einen unangenehmen Druck an ihren Schläfen und hat zusätzlich Schwierigkeiten, sich im Kieler Stadtverkehr zurechtzufinden. Mehrere Male muss sie am Straßenrand anhalten und den Stadtplan aufklappen, um nachzusehen, wie es weitergeht. Heilfroh biegt sie endlich in die Olshausenstraße ein. Direkt vor der Christan-Albrechts-Universität sind einige Parkplätze frei. Die Journalistin steuert den Wagen in die erstbeste Lücke und atmet tief durch.
    Jetzt bloß kein Herzrasen, schießt es ihr durch den Kopf, obwohl sie die letzten Tage völlig beschwerdefrei war. Doch die Angst hat sich bereits festgesetzt, hält sie in einer steten Anspannung. Sicherheitshalber drückt die Journalistin eine Valium aus dem Tablettenstreifen, den sie immer in ihrer Handtasche hat, würgt sie ohne Wasser hinunter und steigt besonders dynamisch aus. Während sie auf den Haupteingang zugeht, rutscht die Arznei mühsam wie ein kleiner Kiesel durch die Speiseröhre.
    Mir liegt etwas quer im Hals!
    Die Journalistin deutet es als Zeichen dafür, dass sie bei der Husumer Rundschau neuerdings automatisch für Mord und Totschlag zuständig ist. Eins weiß sie sicher, der Mordfall in der Witzworter Kirche ist nicht gut für ihr körperliches Befinden, der Tod rückt ihr zu dicht auf die Pelle. Es bereitet ihr Unbehagen, dass die Kriminalpolizei bisher im luftleeren Raum ermittelt, nicht die geringste Spur zutage gefördert hat. Eigentlich eine ideale Situation für ihre Pressearbeit. In mehreren Artikeln konnte sie schon das Versagen der SOKO Kirche anprangern, aber ihr ist einfach nicht wohl dabei. Da draußen läuft ein brutaler Mörder herum, niemand scheint zu wissen, was für ein Motiv ihn antreibt, oder ob er noch einmal zuschlagen wird. Dazu gibt es vielleicht, trotz aller Dementi der Kripo, einen Zusammenhang mit dem ungeklärten Mord vor einigen Jahren.
    Manchmal befürchtet Maria Teske, sie selbst könnte diesen Mann durch ihre Zeitungsartikel auf sich aufmerksam machen. Allein der Gedanke hat ihr eine Heidenangst eingejagt und seitdem hat sie das Gefühl, langsam den Boden unter den Füßen zu verlieren.
    Schluss jetzt!
    Hör auf mit diesem Mist, Maria!
    Das nimmt irrationale Züge an!
    Der Mordfall liegt auf Eis!
    Gestern hat sie drei Tage Urlaub beantragt, um endlich Abstand von ihrem täglichen Trott zu bekommen. Sie will endlich wieder Reportagen mit Anspruch realisieren. Als Think Big das Thema Herztransplantation seinerzeit schonungslos abschmetterte, hatte er nur ihren Trotz geweckt. Sie hatte den Entschluss gefasst, ihrer Schreibe wieder eine neue Richtung zu geben, wenn es sein müsste auch auf eigene Faust.
    Deswegen ist sie heute in Kiel unterwegs und hat ein Interview mit dem Zellbiologen Prof. Dr. Albert Metsky arrangiert.
    Während sie vor sich hin, grübelt bemerkt die Journalistin, dass die Flure im Unigebäude alle gleich aussehen. Sie ist mal wieder, ohne zu überlegen, losgestürmt, ohne Plan, wo sie

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