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Eidernebel

Eidernebel

Titel: Eidernebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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dreht ihnen den Rücken zu.
    »Weißt du schon Näheres, Stephan?«
    »Nein, nur, dass es dort genauso blutig aussehen soll wie bei dem letzten Mal in Witzwort. Die Spurensicherung ist schon auf dem Weg. Colditz und Püchel sind gerade los.«
    »Okay, ich bin gleich da!«
    Swensen ist schlagartig nüchtern und seine fröhliche Stimmung ist wie weggeblasen, er steht einen Moment wie versteinert auf einem Fleck und blickt verstört auf das Handy.
    Komm jetzt nicht auf dumme Gedanken, mahnt die innere Stimme, drei Korn sind genug.
    »Tut mir leid, Leute! Dienst ist Dienst, ich muss sofort weg«, sagt er und tippt eine Zahlenreihe auf dem Handy. »Ich brauch sofort ein Taxi in Witzwort. Können Sie mich bitte vor der Kirche abholen.«
    Ohne ein weiteres Wort lässt er die verdutzten Boßler stehen und eilt ins Dorf.
    Fünf Minuten nach dem Anruf sitzt der Hauptkommissar in sich gekehrt auf dem Beifahrersitz eines Husumer Taxis. Am Sonntagmorgen ist auf den Straßen so gut wie kein Verkehr und der Mercedes prescht durch die flache Landschaft, vorbei an Wiesen, auf denen schon die ersten kleinen Lämmer übermütig in die Luft springen. Es geht durch das menschenleere Oldenswort und acht Minuten später passiert der Wagen die 100-jährige Schankwirtschaft ›Op de Hörn‹ in Warmhörn. Die schlichte Kirche von Osterhever steht etwas abseits von der Dorfstraße auf einer kleinen Warft und wird an der Turmfront von zwei schrägen Ziegelmauern gestützt. Der Parkplatz davor ist voll mit geparkten Autos, die in einer Reihe vor der überdachten Bushaltestelle und den zwei Glascontainern stehen. Die Sonne spiegelt sich im Wasser des schmalen Grabens, der sich um das Kirchengrundstück zieht. Swensen bezahlt den Taxifahrer und blickt mit unangenehmem Gefühl in die Lichtpunkte, die vor seinen Augen tanzen. Rechts von ihm hat ein einsamer Streifenpolizist damit begonnen, über die Zufahrt zum Parkplatz ein Absperrband zu spannen. Der Hauptkommissar gibt sich einen Ruck, öffnet die Pforte und geht den Weg zur paneelverzierten Eingangstür hinauf. Der Schatten auf der Sonnenuhr im Mauerwerk darüber zeigt auf X, es ist circa 10 Uhr. Swensen hält den Atem an, öffnet die Kirchentür und tritt in den Chorraum. Ein kleines Regal, gefüllt mit grünen und knallroten Gesangsbüchern, steht im Eingangsbereich unter der Orgelempore. An der Wand dahinter gibt es eine alte Grabsteinplatte mit einem Flachrelief von einer Frau und einem Mann in Eiderstedter Tracht. Polizeirat Heinz Püchel hat sich an den Stein angelehnt und redet lebhaft auf Jean-Claude Colditz ein. Als er den Hauptkommissar wahrnimmt, wird seine Gestik noch hektischer. Er zieht den Flensburger Beamten an der Schulter mit sich fort zu Swensen hinüber.
    »Gut, dass du da bist, Jan! Ich rede schon die ganze Zeit mit Jean-Claude, was wir hier machen können!«
    »Hallo, Heinz! Hallo! Ich bin gerade durch die Tür.«
    »Und ich hab bei der Sache hier ein verdammt mulmiges Gefühl, Leute! Zwei ermordete Frauen in zwei Kirchen, das ist doch nicht mehr normal, das ist total irre! So etwas hat es in ganz Norddeutschland noch nicht gegeben. Schätze, wir müssen lernen, über den Tellerrand zu gucken. Vielleicht gibt es bei den Kollegen in Hamburg oder Niedersachsen Vergleichbares. Du hast in Hamburg gearbeitet, Jan, hast du damals mal was von einer Toten in einer Kirche gehört?«
    »Nein, hab ich nicht, Heinz! Aber das bringt uns jetzt auch nicht weiter. Vielleicht kann ich mir erst einmal anschauen, was hier passiert ist, oder wie siehst du das, Jean-Claude?«
    »Okay, Jan, schau dich erst mal um und mach dir ein Bild. Wir sprechen morgen in der Frühbesprechung weiter.«
    Swensen nickt kurz und dreht sich in den Raum. Einige Männer in weißen Overalls arbeiten sich durch die hölzernen Sitzbänke. Der mittlere Gang ist mit Vliesmatten ausgelegt, auf der ihm der Polizeiarzt Michael Lade entgegenkommt.
    »Kein schöner Anblick da hinten, Jan!«, sagt der Doktor und deutet in Richtung des Rundbogens, der in die Apsis führt. »Fast dasselbe Gemetzel wie vor einem Monat. Unzählige Messerstiche, mindestens zwei waren sofort tödlich. Leichenstarre ist schon stark ausgebildet. Bei der Kälte hier in der Kirche würde ich sagen, die Frau ist zwischen acht bis zwölf Stunden tot.«
    »Du sagtest fast dasselbe Gemetzel? Ist irgendwas anders?«
    »Ja, der Körper ist voll mit Hämatomen, im Gesicht, an Händen und Beinen. Das Opfer muss vorher systematisch und über längere Zeit

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